Dritter Artikel. Die dulia, die Ehrerbietigkeit, ist von der Anbetung, der latria, verschieden.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Zu Ps. 7. (Domine Deus) bemerkt die Glosse: „Der Herr von Allem und deshalb gebührt Ihm Ehrerbietigkeit, dulia; der Schöpfer von Allem und deshalb gebührt Ihm Anbetung, latria.“ Es sind also das nicht zwei verschiedene Tugenden. II. „Geliebt werden ist ähnlich dem Geehrt werden.“ (8 Ethic. 8.) Die nämliche Liebe aber richtet sich auf Gott wie auf den Nächsten. Also ist dasselbe mit der Ehrenbezeigung der Fall. III. Dieselbe Bewegung richtet sich auf das Bild und auf den durch das Bild Vorgestellten. Durch die Ehrerbietigkeit aber wird der Mensch geehrt, das Bild Gottes, nach Sap. 2, 22. Also ist es dieselbe Tugend wie die Anbetung, wodurch Gott geehrt wird. Auf der anderen Seite sagt Augustin (10. de civ. Dei 1.): „Ein anderer Dienst gebührt den Menschen; und demgemäß hat der Apostel vorgeschrieben, daß die Knechte ihre Herren ehren, er wird griechisch dulia genannt; — ein anderer Dienst gehört zur Verehrung Gottes, die latria.“
b) Ich antworte, wo das Geschuldete einen wesentlich anderen Charakter hat, da müsse auch die Tugend eine andere sein, welche das Geschuldete leistet. Etwas Anderes aber ist Gott geschuldet als dem Herrn des All, der da Vollgewalt hat über alle Kreatur; und etwas Anderes ist dem Menschen geschuldet, der nur in gewisser Weise teilhat an der göttlichen Gewalt, insoweit er einen anderen Menschen oder eine andere Kreatur leitet. Also ist die dulia oder Ehrerbietigkeit, welche gebührenden Dienst dem Menschen gegenüber leistet, eine andere Tugend wie die latria oder die Anbetung, die Gott den gebührenden Dienst leistet. Und zwar ist diese dulia eine Art Hochachtung. Denn durch letztere ehren wir höhere Personen im allgemeinen; die dulia oder Ehrerbietigkeit aber lehrt die Diener ihre Herren ehren.
c) I. Wie die „Religion“ eine hervorragende „Pietät“ ist, insofern Gott als Vater von Allem betrachtet wird; so ist im hervorragenden Sinne die Anbetung Ehrerbietigkeit, denn Gott ist der Herr Aller. Die Kreatur aber nimmt nicht teil an der Macht, zu schaffen, kraft deren Gott Anbetung gezollt wird. Und danach hat die Glosse unterschieden und Gott die latria, zugeteilt als dem Schöpfer, die dulia als dem Herrn. II. Gott ist der maßgebende Grund für die Nächstenliebe. Und somit umfaßt die eine heilige Liebe Gott und den Nächsten. Ein anderer maßgebender Grund besteht aber dafür, Gott zu dienen; und ein anderer dafür, einem Menschen zu dienen. So sind auch außer der heiligen Liebe noch andere Freundschaften unter den Menschen, auf denen andere Tugenden beruhen. III. Inwieweit etwas präcis Bild ist, bezieht sich die Bewegung auf das durch das Bild Vorgestellte. Nicht aber jede Bewegung richtet sich auf das Bild, inwieweit es präcis Bild ist. Und so ist manchmal es eine andere Bewegung, die auf das Bild, und eine andere, die auf das Urbild geht. Die dulia oder Ehrerbietigkeit also richtet sich schlechthin, abgesehen von allem Anderen, auf eine Würde im Menschen. Eine solche Würde ist zwar immer etwas Gott Ähnliches; aber der Mensch bezieht nicht immer die diesbezügliche Thätigkeit, die darauf gerichtet ist, auf Gott als auf das Urbild. Oder es ist auch nicht erfordert, daß die Bewegung, welche auf das Urbild geht, zugleich auf das Abbild sich richtet. Und danach fließt die Ehre, welche jemand dem Menschen als einem Bilde Gottes erweist, auf Gott über. Eine andere Ehre ist es aber, die der Mensch Gott selber erweist; und diese fließt nicht auf die Kreatur über.
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