Zweiter Artikel. Die prophetische Erleuchtung geschieht vermittelst der Engel.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Sap. 7. heißt es: „Die Weisheit Gottes prägt sich ein den heiligen Seelen und stellt Freunde Gottes her und Propheten.“ Sie macht aber Freunde Gottes durch unmittelbares Einwirken, also auch Propheten. II. Die Prophetie ist eine Gnade. Diese jedoch kommt vom heiligen Geiste, nach 1. Kor. 12.: „Die Gnaden sind geteilt; ein und derselbe aber ist der Geist;“ also nicht durch Vermittlung der Engel. III. Cassiodor nennt die Prophetie (prol. 1.) „göttliche Offenbarung;“ sie ist also keine Offenbarung von Engeln. Auf der anderen Seite heißt es (4. coel. hier.): „Göttliche Gesichte haben unsere glorreichen Väter erlangt durch die Vermittlung himmlischer Kräfte;“ wo von den Propheten die Rede ist.
b) Ich antworte, daß „was von Gott ist, Ordnung in sich schließe.“ (Röm. 13.) Das aber ist der Ordnung, wie sie von Gott kommt, eigen, daß sie das Niedrigste durch Mittelstufen leite. Nun stehen die Engel in der Mitte zwischen den Menschen und der Vollkommenheit der göttlichen Güte. Also werden den Menschen göttliche Erleuchtungen und Offenbarungen und somit wird ihnen prophetische Kenntnis zu teil vermittelst der Engel.
c) I. Die heilige Liebe, wodurch der Mensch ein Freund Gottes wird, sindet sich innerhalb des Willens, in welchen Gott allein unmittelbar einwirken kann. Die Prophetie aber ist eine Vollendung der Vernunft, welche auch ein Engel zu beeinflussen vermag. (1. Kap. 111, Art. 1.) II. Der heilige Geist giebt als erstes Princip die zum Besten anderer dienenden Gnaden, jedoch durch Vermittlung des Dienstes der Engel. III. Das Eingreifen des Werkzeuges wird dem haupteinwirkenden zu- geschrieben, durch dessen Kraft das Werkzeug in Thätigkeit ist. Da also die Engel nur Werkzeuge Gottes sind bei der Erleuchtung der Propheten, so wird diese Gott als dem haupteinwirkenden zugeschrieben.
