Fünfter Artikel. Der Dämon war nicht im ersten Augenblicke seiner Erschaffung durch die Schuld seines eigenen Willens böse.
a) Das Gegenteil stützt sich auf folgende Gründe: I. Joh. 8, 44. wird gesagt: „Jener (der Teufel) war ein Menschenmörder von Anfang an.“ II. Nach Augustin (1. sup. Gen. ad litt. 15.) ist die Formlosigkeit der Geformtheit der Kreatur vorangegangen nicht der Zeit nach, sondern in der vernünftigen Auffassung; wie der Natur der Dinge nach das Mögliche dem Gewordensein vorausgeht. Unter dem „Himmel“ aber wird, wieder nach Augustin (2. l. c. cap. 8.), die formlose Engelnatur, also die noch nicht beseligte verstanden und unter dem Licht („es ward Licht“) ihre Zuwendung zum „Worte“. Zugleich der Zeit nach also ist die Engelnatur geschaffen und ist sie Licht geworden. Zugleich aber als sie Licht geworden, ward sie geschieden von den Finsternissen, d. h. von den sündigenden Engeln. Also im ersten Augenblicke des Erschaffens waren die einen unter den Engeln selig, die anderen gefallen. III. Sünde steht entgegen dem Verdienste. Im ersten Augenblicke des Seins kann aber eine vernünftige Natur verdienen, wie die Seele Christi und die guten Engel. Also konnten auch die Dämonen im ersten Augenblicke ihres Seins sündigen. IV. Das Feuer z. B. fängt im ersten Augenblicke seines Hervorgebrachtseins an, thätig zu sein und nach oben hin sich zu bewegen. Somit konnten ebensogut wie ein solches körperliches Ding die Engel im ersten Augenblicke wirken. Entweder hatten sie also ein rechtes Wirken oder ein unrechtes. Im ersten Falle hatten sie nach dem Verdienste, da sie ja gleich die Gnade besaßen, alsobald auch die Seligkeit; also konnten sie nicht mehr fallen. Es bleibt also nur übrig, daß das Wirken des Teufels im ersten Augenblicke ein unrechtes, d. h. sündhaftes war. Auf der anderen Seite sagt die Gen. 1, 31.: „Gott sah alles, was Er gethan hatte; und siehe, es war sehr gut.“ Darunter waren aber auch die Dämonen; also waren sie einmal gut.
b) Ich antworte: Einige meinten, der Teufel sei gleich im Beginne seiner Erschaffung schlecht gewesen; nicht zwar auf Grund seiner Natur, sondern seinem eigenen Willen zufolge. Und wer dies sagt, meint Augustin (11. de Civ. Dei 13.), hat nicht dieselbe Auffassung wie die Häretiker (Manichäer), welche den Teufel als von Natur schlecht betrachten. Diese Meinung aber widerspricht offenbar der Schrift, die unter der Figur des Fürsten von Babylon vom Teufel (Is. 14.) sagt: „Wie bist du gefallen, Luzifer, der du am Morgen aufgingest;“ und Ezech. 28.: „In den Ergötzlichkeiten des Paradieses bist du gewesen.“ Und deshalb ist diese Meinung von den Gelehrten verlassen. Andere nehmen nun an, die Engel hätten wohl sündigen können im ersten Augenblicke; aber sie hätten nicht gesündigt. Aber auch diese Annahme wird von manchen zurückgewiesen aus folgendem Grunde. Es scheint unmöglich, daß ein und derselbe Augenblick, also das gleiche eine Nun, zwei Thätigkeiten begrenze. Denn offenbar war die Sünde des Engels eine Thätigkeit, welche der Erschaffung folgte. Nun ist aber der Grenzpunkt des Erschaffens das Sein der Engel; der Grenzpunkt der sündhaften Thätigkeit, daß sie schlecht sind. Also unmöglich war der Engel schlecht im selben Nun, da er zu sein anfing. Dieser Grund jedoch scheint nicht genügend. Denn er hat nur Geltung bei den Bewegungen der Zeit nach, wo die örtliche Bewegung der Veränderung folgt. Da kann nicht im selben Augenblicke die Bewegung dem Orte nach sein und die Veränderung, sondern eines von beiden geht vorauf oder folgt. Handelt es sich aber um augenblickliche Veränderungen, so kann zugleich und im selben Augenblicke sein der Grenzpunkt der ersten und der zweiten Veränderung; wie z. B. im selben Augenblicke wo der Mond erleuchtet wird von der Sonne auch die Luft vom Monde aus erleuchtet wird. Offenbar nun ist die Erschaffung eine augenblickliche Veränderung vom Nichtsein zum Sein und ebenso die Bewegung des freien Willens in den Engeln; denn sie bedürfen keines Schließens von einem auf das andere. Also könnte danach ganz wohl zugleich und im selben Augenblicke den Grenzpunkt des Erschaffens bilden das Sein; und den Grenzpunkt der freien Willensentscheidung die Sünde. Deshalb muß anders gesagt werden; nämlich es sei völlig unmöglich, daß der Engel im ersten Augenblicke auf Grund der ungeregelten Thätigkeit seines freien Willens gesündigt habe. Denn obgleich ein Wesen im selben Augenblicke daß es zu sein beginnt, auch zu wirken beginnen kann, so kommt ihm doch diese Thätigkeit, welche zugleich mit dem Sein beginnt, zu, weil dies so von jenem Wirkenden herrührt, der das Sein gegeben; wie das „in die Höhe gehen“ dem Feuer innewohnt auf Grund dessen, der es, das Feuer, hervorgebracht hat. Wenn also das Ding eine Ursache hat, die in ihrem Wirken mangelhaft ist, so kann es im ersten Augenblicke seines Seins eine mangelhafte Thätigkeit haben, wie z. B. wenn das Bein von Geburt aus lahm ist und deshalb gleich anfängt, mit dem Mangel thätig zu sein, dies von irgend welcher Schwäche und Mangelhaftigkeit in den Zeugungsprincipien herkommt. Gott aber, der die Engel hervorgebracht hat, kann nicht die Ursache der Sünde sein. Also kann der Teufel im ersten Augenblicke seiner Erschaffung nicht schlecht gewesen sein.
c) I. „Der Teufel sündigt vom Beginne an,“ sagt Augustin (11. de Civ. Dei 15.), „nicht von jenem Beginne an, in dem er geschaffen worden, muß das geglaubt werden, sondern vom Beginne der Sünde an;“ nämlich weil er nie aufgehört hat zu sündigen. II. Jene erwähnte Scheidung zwischen Licht und Finsternis, wo Finsternis die Teufel bedeutet, ist gemäß dem Vorherwissen Gottes zu berücksichtigen. Deshalb sagt Augustin: „Er allein konnte das Licht von der Finsternis scheiden, der allein, ehe sie fielen, vorher wußte, sie würden fallen.“ III. Was auch immer im Verdienste ist, das ist von Gott; und deshalb konnte der Engel im ersten Augenblicke verdienen. So ist es aber nicht mit der Sünde. IV. Gott hat unter den Engeln nicht unterschieden vor der Abwendung von Ihm seitens der einen und vor der Zuwendung zu Ihm seitens der anderen, wie Augustin (11. de Civ. Dei c. 11. et 33.) sagt; und deshalb verdienten alle, da sie in der Gnade geschaffen waren, im ersten Augenblicke. Der eine Teil aber stellte gleich ein Hindernis seiner Beseligung entgegen und ertötete so das voraufgehende Verdienst. Deshalb wurden sie der Seligkeit, die sie verdient hatten, beraubt.
