Achter Artikel. Das Fallen des ersten Engels war für die anderen die Ursache ihres Fallens.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die Ursache ist früher als das Verursachte. Alle aber fielen zugleich. II. Die erste Sünde der Engel war der Stolz. Der Stolz aber sucht den Vorrang. Dem nun widerspricht es, daß die anderen Engel dadurch gesündigt hätten, weil sie dem ersten hätten Unterthan sein wollen, was der Fall sein müßte, wenn der erste Engel die anderen zum Falle verleitet hätte. III. Eine größere Sünde ist es, einem anderen gegen den Willen Gottes Unterthan sein wollen, als einem anderen voranstehen wollen gegen Gott; denn letzteres hat weniger vom Beweggrunde zum Sündigen. Wäre also die Sünde des ersten Engels für die anderen die Ursache des Sündigens deshalb, weil er sie verleitete, ihm Unterthan zu sein, so hätten die niedrigeren schwerer gesündigt wie die höchsten. Das ist aber gegen den Psalm 103, 27.: „Dieser Drache, den du geformt hast;“ wozu die Glosse sagt: „Der in seiner Natur alle überragte, ist in seiner Bosheit auch der größere geworden.“ Auf der anderen Seite heißt es Apok. 12, 4.: „Der Drache zog mit sich den dritten Teil der Sterne.“
b) Ich antworte, die Sünde des ersten Engels war für die anderen eine Ursache der Sünde; nicht als ob für die letzteren ein Zwang vorgelegen hätte, sondern es war ein Reiz vorhanden, der sie zum Sündigen verleitete. Das Zeichen davon können wir darin sehen, daß alle Dämonen jenem ersten unterworfen sind, wie aus Matth. 25, 41. hervorgeht: „Gehet, ihr Verfluchten in das ewige Feuer, welches bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“ Denn so ist es in der Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit enthalten, daß wer dem anderen beistimmt, sofern dieser ihn zur Sünde reizt, diesem auch in der Strafe unterworfen wird; wie Petrus (II. 2, 19.) sagt: „Von wem jemand überwunden worden, dessen Knecht ist er.“
c) I. Die Engel bedürfen zum Ermahnen oder zum Wählen keine Zeitdauer; wie der Mensch, der erst überlegen und sich beraten muß. Deshalb konnte der eine Engel die Ursache der Sünde für die anderen sein; und doch konnten alle zugleich sündigen. Auch der Mensch fängt im selben Augeblicke zu sprechen an, in welchem er etwas im Herzen sicher aufgefaßt hat; und im letzten Augenblicke der Rede, in welchem jemand den Sinn derselben in sich aufgenommen, kann er beistimmen dem, was gesagt wird; wie es z. B. bei den allgemeinen Auffassungen der Fall ist, denen jeder zustimmt im Augenblicke, daß er sie gehört. Wird also die Zeit fortgedacht, so war es in demselben Augenblicke, wo der erste Engel seine Neigung zu sich selbst in der Weise wie es der reinen Vernunft zukommt den anderen offenbar machte, ganz wohl möglich, daß diese ihm zustimmten. II. Der Hochmütige will allerdings lieber einem Höheren unterworfen sein wie einem Niedrigeren. Kann er jedoch einen gewissen Vorrang erreichen unter dem Niedrigeren, den er unter dem Höheren nicht erreichen könnte, so will er dem ersteren lieber gehorchen. So also war es nicht gegen die Natur des Stolzes, daß die niedrigeren Engel sich dem ersten unterordneten, damit sie diesen Vorrang hätten, ihre Seligkeit aus eigenen Kräften zu erreichen; zumal sie ja schon von Natur unter dem ersten Engel waren. III. Der Engel hat in seiner Natur nichts, was ihn aufhält. Also wirft er sich mit seiner ganzen Kraft dem entgegen, was er liebt; sei dies das Gute, sei es das Böse. Der erste Engel aber hatte eine stärkere Natur wie die übrigen; also hat er auch mit größerer Heftigkeit der Sünde sich in die Arme geworfen; er ist auch in der Bosheit der größere geworden.
