Siebenter Artikel. Zukömmlich ist es mehr, daß der höchste aller Engel unter den sündigenden war.
a) Dagegen heißt es: I. Bei Ezechiel 28, 14.: „Du, o Cherub, deine Herrschaft ausdehnend und schützend;“ aber die Rangstufe der Cherubim ist nicht die höchste; sondern die der Seraphim. (Dionysius 7. de coel. hier.) II. Gott machte die vernünftige Natur, damit sie die Seligkeit gewinne. Es ist aber unthunlich, daß die Absicht Gottes gerade in der höchsten Kreatur vereitelt ward. III. Je mehr eine Natur zu etwas hinneigt, desto weniger kann sie davon abfallen. Je höher aber der Engel steht, desto mehr neigt er zu Gott. Also desto weniger kann er fallen. Auf der anderen Seite sagt Gregor der Große (34. Hom. in Evang.): „Der erste Engel, welcher sündigte, da er an Glanz allen Engelscharen vorangestellt war, war im Vergleiche mit ihnen erhabener.“
b) Ich antworte, man müsse in der Sünde ein zweifaches Moment unterscheiden: Die Bereitwilligkeit zu sündigen und den Beweggrund dazu. Wird die erstere berücksichtigt, so scheint es, daß die höheren weniger sündigten; weshalb Damascenus sagt (II. de orthodox. fide 4.): „Der höchste derjenigen, welche sündigten, war der erste jener, welche mehr der Erde nahestehen.“ Damit stimmt die Meinung der Platoniker, von denen Augustin berichtet (8. de Civ. Dei c. 6. 6t 7.): „Sie sagen, alle „Götter“ waren gut; von den Dämonen aber die einen gut, die anderen schlecht. Dabei nennen sie Götter die geistigen Substanzen, welche jenseits der Mondsphäre sind; Dämonen aber jene anderen geistigen Substanzen, die diesseits des Mondes sich finden und höher stehen im Bereiche der Natur wie die Menschen.“ Diese Meinung ist durchaus nicht häretisch. Denn alle körperliche Natur wird von Gott durch die Engel geleitet, wie Augustinus (III. de Trin. 4. et 5.) sagt. Nichts also steht dem entgegen, daß die niedrigeren den irdischen Körpern vorgesetzt sind, die höheren der Leitung der erhabeneren Körper vorstehen, und die höchsten allein Gott loben. Und deshalb sagt Damascenus, die gefallenen Engel seien aus den niedrigeren gewesen; so aber, daß einige gut geblieben sind. Wird aber der Beweggrund berücksichtigt, so war dieser in den höheren Engeln größer wie in den niedrigeren. Denn Stolz war die erste Sünde der Dämonen, wozu der Beweggrund die eigene hervorragende Größe ist, und diese war in den höheren vollendeter. Und deshalb sagt Gregor der Große: „Der erste und höchste der Engel habe gesündigt.“ Und letzteres scheint entscheidend, da die Engelsünde nicht aus einer gewissen Bereitwilligkeit und Geneigtheit zum Sündigen hervorging. Doch soll damit die andere Meinung nicht verworfen sein; denn auch im ersten Engel der tieferen Ordnung konnte ein Beweggrund sein für die Sünde.
c) I. Cherubim will heißen: Fülle des Wissens; Seraphim: Glühende. Der Dämon wird also Cherub genannt wegen des Wissens, das zugleich mit der Sünde bestehen kann. Mit der Glut der Liebe Gottes aber besteht keine Sünde. II. Die göttliche Absicht wird nirgends vereitelt. Denn Gott weiß den Ausgang vorher und aus den beseligten Engeln wird seine Barmherzigkeit verherrlicht, aus den gefallenen seine Gerechtigkeit. Die vernünftige Kreatur allein hat aus der Sünde den Nachteil. Sie fällt. Das kann aber auch die höchste, denn sie bleibt Kreatur. III. So groß die Neigung zum Guten im höchsten Engel war, sie Prägte keine Notwendigkeit ein; er konnte also kraft seines freien Willens ihr auch nicht folgen.
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