9.
O mein Herr und mein höchstes Gut! Nicht ohne Tränen und nicht ohne große Wonne meiner Seele kann ich es aussprechen, daß du, o Herr, gleichwie zu im Sakramente zugegen bist, so auch in uns selbst wohnen willst. Dies kann mit aller Gewißheit geglaubt werden; denn es ist wirklich so, und darum können wir und auch mit Wahrheit dieses Vergleiches bedienen. Wenn mir es durch eigene Schuld nicht verscherzen, so können wir deiner genießen; ja du selbst findest deine Freude in uns, da du uns versicherst, es sei deine Wonne, bei den Menschenkindern zu sein. O mein Herr! Was ist doch das? Sooft ich dieses Wort vernehme, ist es mir ein großer Trost; ja, selbst damals schon empfand ich ihn, als ich noch sehr in der Irre war. Ist es möglich, o Herr, daß es eine Seele gebe, der du solche Gnaden und Tröstungen erweisest, und die trotz ihrer Erkenntnis, daß Du dich an ihr erfreuest, dich dennoch wieder beleidigt, nachdem sie so viele Gunstbezeigungen und so große, weil klar erkannte, darum unzweifelhafte Beweise deiner Liebe empfangen hat? Ja, es gibt eine solche Seele, die dich nicht bloß einmal, sondern oftmals wieder beleidigt hat, und diese Seele bin ich. O mein Herr! Möchte es doch deiner Güte gefallen, daß ich, die einzige Undankbare wäre, die eine so große Bosheit begangen und eines so grenzenlosen Undankes sich schuldig gemacht hat! Denn schon aus dieser hat deine unendliche Güte etwas Gutes erzielt, da nun an ihr das große Gut deiner Erbarmungen desto herrlicher erglänzt, je größer das Übel auf ihrer Seite war. Wie gerechte Ursache habe ich demnach, diese Erbarmungen ewig zu preisen! Ich bitte dich, o mein Gott, mache, daß es also geschehe; laß mich das Lob deiner Erbarmungen ohne Ende singen! Hat es dir ja gefallen, sie mir in so außerordentlicher Weise zu erzeigen, daß alle, die davon Zeugen sind, darüber staunen, ja, ich bin selbst oftmals außer mir und kann dich dann so besser loben und preisen; denn aus mir selbst und ohne dich könnte ich nichts, als die Blumen, die du in deinen Garten gepflanzt, wieder ausreißen, so daß dieser elende Boden abermals zu einer Sammelstätte des Unrates diente wie vorher. Gestatte dieses nicht, o Herr, und lasse nicht zu, daß eine Seele verlorengeht, die du mit so vielen und großen Schmerzen erkauft, die du so oft aufs neue erlöst und den Zähnen des schrecklichen Drachen entrissen hast!
