6.
Fürchtet nicht, es möchte uns in dieser Hinsicht an der nötigen Mäßigung fehlen! Dies wäre ein Wunder; denn die Beichtväter sind alsogleich in Sorge, wir könnten uns mit Bußwerken zugrunde richten. Zudem haben wir selbst einen solchen Abscheu vor diesem Mangel an Mäßigung, daß ich wünschte, wir nähmen es in allem so genau wie hier. Ich weiß wohl, daß jene, die das Gegenteil tun, wenig sich um das kümmern werden, was ich sage; auch ich mache mir nichts daraus, wenn sie sagen, daß ich andere nach mir beurteile; denn sie sprechen die Wahrheit. Meines Erachtens sucht uns der Herr wegen unserer allzu großen Sorge für die Gesundheit um so mehr mit Krankheiten heim; mir wenigstens hat er dadurch große Barmherzigkeit erwiesen. Denn da ich mich sowieso gut gepflegt hätte, so wollte er mir eine Ursache dazu geben. Es ist zum Lachen, wenn man sieht, wie sich manche in dieser Hinsicht selbst quälen. Manchmal kommt ihnen das Verlangen, Bußwerke zu verrichten ohne Maß und Zahl. Dieser Eifer dauert sozusagen zwei Tage lang. Dann stellt der böse Feind ihrer Einbildung vor, sie hätten sich dadurch (an der Gesundheit) geschadet, und bewirkt, daß sie sich fürchten, fernerhin Bußwerke zu üben; sie scheuen sogar vor jenen zurück, die der Orden vorschreibt, weil sie, wie sie meinen, den Nachteil davon schon erfahren hätten. Da übertritt man dann selbst gewisse ganz leichte Vorschriften der Regel, wie z. B. das Stillschweigen, was uns doch gewiß nicht schaden kann. Kaum fühlt man etwas Kopfweh, so bleibt man schon vom Chore weg, der uns ebensowenig den Tod bringt. Dabei will man Bußwerke aus eigenem Kopfe ersinnen, während man weder das eine noch das andere halten kann. Zuweilen ist es nur ein geringes Unwohlsein, weswegen man nicht verpflichtet zu sein meint, etwas zu tun; man begehrt nur Erlaubnis, und damit beruhigt man sich.
