Sechzehntes Hauptstück
Von dem Unterschiede, der bezüglich der Vollkommenheit zwischen dem Leben der Beschaulichen und dem Leben derer bestehen muß, die sich mit dem betrachtenden Gebete begnügen. Möglichkeit, daß Gott manchmal auch zerstreute Seelen zur vollkommenen Beschauung erhebt, und Gründe dafür. Dieses Hauptstück sowie auch das nächste ist wohl zu beachten.
l. »Haltet all das bisher Gesagte nicht für viel; denn ich stelle sozusagen zum Spiele erst die Figuren aus! Ihr habt mich gebeten, euch etwas über den Beginn des Gebetslebens zu sagen. Obwohl nun, meine Töchter, der Herr mit mir anders begonnen hat, da ich die besprochenen Tugenden vielleicht auch jetzt noch nicht besitze, so weiß ich doch keinen anderen Anfang als die Übung ebendieser Tugenden. Glaubet mir: Wer beim Schachspiel nicht einmal die Figuren in Ordnung zu stellen weiß, der wird es schlecht zu spielen verstehen; und wer nicht Schach bieten kann, der wird auch nie schachmatt setzen können! Ihr werdet mich vielleicht tadeln, daß ich von einem Spiele rede, das man in diesem Kloster nicht hat und auch nicht haben soll. Daraus seht ihr aber, was für eine Mutter euch Gott gegeben hat, da sie sogar mit einer solchen Eitelkeit vertraut ist. Man sagt zwar, dieses Spiel sei zuweilen erlaubt; aber wie weit mehr wird uns jene andere Art des Spieles erlaubt sein, und wie bald würden wir, wenn wir uns darin eifrig übten, dem göttlichen König Schach bieten, so daß er uns nicht mehr entkommen kann noch auch entkommen will!
