Passion der Heiligen Felix und Regula
S. 31 In jener Zeit zogen der hochselige Felix und seine Schwester Regula mit ihren Gefährten auf Anraten des seligen Heerführers Mauritius auf Wanderschaft, um dem Herrn zu dienen. Durch die öden Stätten der einsamen Gegend, die man Glarus nennt, gelangten sie an das Ende des Sees und an den Fluß Limmat, der bei der Burg Turicum (Zürich) vorbeifließt. Hier schlugen sie ihren Standort auf und hingen in treuer Ergebenheit dem Herrn an bei Tag und Nacht durch beharrliches Fasten, Wachen, Beten und Verkündigen des Wortes Gottes.
So ließ denn der gottlose Maximian nach ihnen fahnden und sandte zu diesem Zwecke grausame Häscher aus. Diese gelangten an den genannten Ort und kamen gerade dazu, als jene um die Mittagszeit nach getanem Gebet sich beim Mahle stärkten. Aber die Gnade Gottes umstrahlte die Heiligen. Davon geblendet, sahen die gottlosen Hascher sie nicht und gingen an ihnen vorüber.
Da sagte der heilige Felix zu seiner Schwester: «Vielliebe Schwester, schau, nun ist die ersehnte Zeit da, nun ist der Tag des Heiles angebrochen! Kommt, wir wollen uns ihnen stellen und das Martyrium auf uns nehmen. So werden wir teilhaben am Lose der Auserwählten im Himmel.» Und sie breiteten ihre Hände gen Himmel empor und riefen zum Herrn, er möge ihre Seelen befreien von der Feinde Hand und sie hinüber ziehen lassen in die ewige Seligkeit. S. 32Decius aber, der Verfolger, war von unlauterem Geiste erfüllt und fragte: «Seid ihr Christen, Gefährten von Mauritius, Exuperius, Candidus und Viktor, oder seid ihr es nicht?» Der heilige Felix und seine Gefährten gaben zur Antwort: «Wir sind Christen und beten Christus an, der uns geschaffen. Wir sind Gefährten jener, über die du uns befragt. Durch die Barmherzig keit Gottes hoffen wir, mit ihnen teilzuhaben am himmlischen Reich.»
Da gebot Decius: «Opfert den Göttern !» Die Heiligen antworteten: «Wir opfern den Göttern nicht, noch beten wir deine Götter an. Du aber wirst mit ihnen zur Hölle fahren.»
Darauf Decius: «Bei den großen Göttern schwöre ich: Wollt ihr den Göttern nicht opfern, so habe ich euch allerlei große Martern anzutun!» Die Heiligen erwiderten: «Über unsern Leib hast du Gewalt; über unsere Seelen aber hast du keine Gewalt, sondern Gott allein, der uns geschaffen hat.»
Da erklärte der Tyrann Decius: «Noch habe ich Geduld mit euch. So schwöre ich denn bei den großen Göttern und bei des Kaisers übergroßer Milde: Wenn ihr unsere Götter nicht anbeten wollt, Merkur nämlich und Jupiter, so lasse ich euch in glühende Kessel legen.» Darauf die Heiligen: «Der Herr ist unser Helfer, und wir haben keine Angst vor dem, was ein Mensch uns antun kann.»
Der gottlose Richter fuhr weiter: «Warum opfert ihr den Gottern nicht ?» Die Heiligen aber gaben zur Ant wort: «So wisse denn, wir beten deine Götter nicht an und verehren deine Bilder nicht, weil es teuflische Truggestalten sind.»
Nun ließ er sie ergreifen und auf Eisenräder legen mit den Worten: «Opfert und betet meine Götter an!» Die Heiligen antworteten: «Schlechter und feindseliger Mensch, welches sind denn deine Götter ?» Decius erklarte: «Merkur und Jupiter!» Da gab Regula zur Antwort: «Beelzebub ist dein Gott!»
Der Richter fuhr nun weiter: «Ich habe dich in siedend heißes Pech zu werfen.» Und er warf sie hinein. Darauf ließ er glühendheißes Blei herbeischaffen und reichte ihr davon zu trinken mit den Worten: «Diese und noch schlimmere Qualen habe ich dir anzutun, wenn du meine Götter nicht anbetest.» Sankt Regula erwiderte: «Deine Folterqualen sind mir süßer denn Honigseim.»
Darauf erklärte der Tyrann: «Bei des Kaisers Milde! Ich lasse euch in einen Kerker werfen, darin äußerste Finsternis sein wird. » Die Heiligen antworteten: «In äußerster Finsternis, da wird deine Wohnstatt sein auf immer. »
Nun ließ ihnen der gottlose Decius verschiedene Folterqualen antun. Die Heiligen aber lobpriesen Gott mit einer Stimme und aus einem Herzen mit den Worten: «Wir sagen Dir Dank, Herr Gott, Jesus Christus, daß wir um Deines Namens willen solches leiden durften. »
Da sagte der Richter: «Du betest deinen Gott an und rufst zu ihm? Wo ist dein Gott ?» Sankt Felix antwortete: «Der Teufel möchte einen in die Hölle hinabziehen, und du machst es ihm nach. »
Decius sprach: «Du tatest besser, meine Götter anzube ten,; denn mit diesen rede ich wirklich, und was sie mir vorlegen, das führe ich aus.» Die Heiligen S. 34erwiderten: «Feindseliger Mensch, warum überdenkst du nicht, wo du stehst auf Erden? Blick auf zum Himmel, zu Sonne und Mond. Die hat der allmächtige Gott gemacht. Er hat Gewalt, unsere Seelen zu retten. Deine Götter aber sind Dämonen. Sie selbst und du zusamt dem Kaiser werden in immerwährendem Feuer brennen.»
Decius erklärte: «Noch immer habe ich Geduld mit euch.» Die Heiligen gaben zur Antwort: «Unser Gott, dem wir dienen, der ist geduldig und überaus barmherzig, und seine Barmherzigkeit kennt keine Grenzen.»
Darauf ließ sie Decius allerlei Martern und Folterqualen unterwerfen. Die Heiligen aber lobpriesen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, durch dessen Wort alles erschaffen wurde. Standhaft erflehten sie Hilfe vom Himmel und Gnade vom Heiligen Geist, auf daß sie das Heil Gottes schauen dürften, und der Name der hochheiligen Dreifaltigkeit lobpriesen werde unter den Heiden.
Alsgleich bildete sich über ihnen eine leuchtende Wolke, und eine Stimme sprach: «Fürchtet euch nicht, denn ich bin mit euch. Handelt mannhaft, und euer Herz erstarke, denn schon ist gekommen die Stunde eurer Berufung. Eine Krone steht euch bereit, und ihr werdet großen Ruhm erlangen in der Schar meiner Heiligen.»
Wie die Heiligen die Stimme Gottes hörten, erhoben sie ihre Augen gen Himmel und vernahmen eine Stimme, die da sprach: «Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters; nehmt in Empfang das Reich, das Gott euch bereitet hat seit Anbeginn der Welt.» Da die S. 35Heiligen dies hörten, riefen sie noch lauter und priesen Gott mit den Worten: «Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Friede den Menschen guten Willens. Herr, Jesus Christus, wir loben Dich, wir preisen Dich von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.»
Decius aber, der grausame Tyrann, hieß sie die Nacken beugen und gab Befehl, ihnen den Kopf abzuschlagen. Wie die Heiligen dies vernahmen, lobsangen sie dem Herrn mit den Worten: «Deine Wege zeig' uns, Herr, und Deine Pfade weise uns; lenke uns nach Deiner Wahrheit und lehre uns, daß Du Gott bist, unser Retter.»
Und als die Heiligen mit einer Stimme und aus einem Herzen den Herrn Jesus angerufen hatten, breiteten sie ihre Hände gen Himmel und beugten ihren Nacken. Da schlug ihnen der Scharfrichter das Haupt ab, und sie starben eines glorreichen Todes für den Herrn. Und siehe da: man vernahm eine Stimme von Engeln und Heiligen, die riefen: «Ins Paradies mögen euch die Engel geleiten und die Märtyrer euch ruhmvoll aufuehmen.»
Und man nahm deren hochheilige Leiber mit ihren Häuptern in den Händen vom Ufer des Limmatflusses, wo sie das Martyrium erlitten hatten, und trug sie jenen Berg hinan, vierzig Ellen weit. Von der Burg Turicum aber ist der Ort, wo die Heiligen mit großer Ehre ruhen, 200 Ellen entfernt. Von altersher wurden daselbst viele Blinde und Lahme zum Preise Gottes und zur Ehrung der Heiligen gesund. Und so der Glaube Hilfeflehender durch Gottes Gnade vollkommen wird, erlangen Gebete für verschiedene schwere Anliegen auch heute noch Erhörung.·
S. 36So weit die Passion der Heiligen, welche in heiliger Entrückung dem heiligen Mönch Florentinus durch den Heiligen Geist geoffenbart wurde. Ihr Fest aber wird am 11. September gefeiert.
