II.
Jedoch uns ist Das einleuchtend, nicht aber den Ungläubigen. Darum sagt der Apostel: „Die Lehre vom Kreuze ist Denjenigen, die verloren gehen, eine Thorheit; uns aber, die gerettet werden, ist sie eine Kraft Gottes. Denn es steht geschrieben: Vernichten will ich die Weisheit der Weisen und zu Schanden machen die Klugheit der Klugen.“ Er spricht nichts Hartes aus sich selber, sondern führt vorerst das Zeugniß der Schrift an und nimmt daraus Anlaß, mit größerer Freimüthigkeit eine heftigere S. 56 Sprache zu führen: „Hat Gott die Weisheit dieser Welt nicht zur Thorheit gemacht? Wo ist ein Weiser? wo ein Schriftgelehrter? wo ein Forscher dieser Welt? Hat Gott die Weisheit dieser Welt nicht zur Thorheit gemacht“?
21. Denn weil die Welt vor Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, so gefiel es Gott, durch die Thorheit des Lehrvortrages die Glaubenden zu beseligen.
Nachdem er gesagt, es stehe geschrieben: „Vernichten will ich die Weisheit der Weisen,“ führt er den Beweis aus der Sache selbst, mit den Worten: „wo ist der Weise? wo der Schriftgelehrte?“ Damit trifft er sowohl Juden als Heiden. Denn welcher Philosoph, welcher Sophist, welcher jüdische Gelehrte hat das Heil gebracht und die Wahrheit verkündet? Keiner; Alles geschah durch die Fischer. Nachdem er so die Sache abgethan und ihren Hochmuth gedämpft und gesagt hatte: „Hat Gott die Weisheit dieser Welt nicht zur Thorheit gemacht?“ gibt er auch die Ursache an, warum Dieses geschah. „Denn weil die Welt vor Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte,“ sagt er, so erschien das Kreuz. Was heißt aber Das: „Gott in seiner Weisheit?“ In jener Weisheit, welche aus seinen Werken hervorleuchtet, durch welche er sich zu erkennen geben wollte. Denn darum hat er Dieß und Jenes so eingerichtet, daß man aus dem Sichtbaren den Schöpfer geziemend bewundern konnte. Groß ist der Himmel und unermeßlich die Erde: bewundere also Den, der sie schuf. Denn dieser große Himmel wurde von ihm erschaffen, und ohne Mühe, und diese Erde wurde hervorgebracht, wie Nichts. Darum heißt es von dem Himmel: „Die Himmel sind das Werk deiner Hände“;1 von der Erde aber: „Der du S. 57 die Erde schufest wie Nichts.“ Da nun die Welt in dieser Weisheit Gott nicht erkennen wollte, so überzeugte er sie durch die thöricht scheinende Lehre des Evangeliums, nicht durch Vernunftschlüsse, sondern durch den Glauben. Übrigens bedarf es der menschlichen Weisheit nicht mehr, wo die göttliche vorhanden ist. Denn behaupten, daß der Schöpfer einer solchen und einer so großen Welt Gott sein und eine unermeßliche, unaussprechliche Macht haben müsse, Das hieß nach menschlicher Weisheit schließen und nach dieser ihn begreifen; jetzt aber bedarf es nicht mehr der Vernunftschlüsse, sondern nur des Glaubens. Denn zum Glauben an Den, der da gekreuzigt und begraben worden, und zu der Überzeugung, daß Ebenderselbe auferstanden ist und im Himmel thronet, dazu bedarf es keiner menschlichen Weisheit, keiner Vernunftgründe, sondern des Glaubens. Denn auch die Apostel traten nicht auf mit weltlicher Weisheit, sondern mit dem Glauben, und sie waren weiser und erhabener als die heidnischen Weltweisen, und zwar in dem Maße, wie es erhabener ist, Gottes Wort gläubig anzunehmen, als darüber zu vernünfteln; denn das Göttliche übersteigt die Begriffe der Menschen. — Wie aber hat Gott die Weisheit der Weisen vernichtet? Dadurch, daß er sich uns durch Paulus und seines Gleichen bekannt machte, zeigte er, daß jene Weisheit thöricht sei. Denn zur Annahme der evangelischen Lehre nütz: weder dem Weisen seine Weisheit, noch schadet dem Ungelehrten seine Unwissenheit; ja, um etwas Auffallendes zu sagen, es bahnt und erleichtert die Unwissenheit noch eher als die weltliche Weisheit den Weg zur Annahme des Evangeliums. Denn der Hirt und der Landmann glaubt schneller, indem er auf einmal allem Vernünfteln entsagt und sich ganz dem Herrn übergibt. So hat also Gott die Weisheit (der Weisen) vernichtet. Weil nun die erstere sich selbst erniedriget hat, so nützt sie nun künftighin Nichts mehr. Denn da sie das Ihrige thun und den Herrn der Welt aus seinen Werken erkennen sollte, wollte sie Dieses nicht; darum kann sie auch jetzt, wenn sie gleich wollte, sich nicht mehr geltend machen. S. 58 Die Natur der Sache gestattet Dieß nicht; denn der Weg zur Erkenntniß Gottes ist größer als jene Weisheit. Darum ist also Glauben und Einfalt nöthig, und diesen Weg muß man überall suchen und der weltlichen Weisheit vorziehen; „denn,“ heißt es, „Gott hat die Weisheit (dieser Welt) zur Thorheit gemacht“. Was heißt Das: „Zur Thorheit gemacht“? Er hat gezeigt, daß dieselbe für die Aufnahme des Glaubens thöricht sei. Weil Jene sich viel darauf einbildeten, so machte er sie auch gleich zu Schanden. Was sollte auch Das für eine Weisheit sein, die nicht einmal das höchste Gut findet? Darum ließ Gott ihre Thorheit offenbar werden, nachdem sie selbst ihre Ohnmacht zuerst an den Tag gelegt hatte. Denn wenn sie dort, wo es auf Vernunftschlüsse ankam, Nichts leistete: wie sollte sie jetzt Etwas vermögen, da von erhabenern Dingen die Rede ist und es auf den Glauben allein und nicht mehr auf die Beredsamkeit ankommt? Gott hat also gezeigt, daß sie thöricht sei; es gefiel ihm, durch die Thorheit der Predigt die Glaubenden selig zu machen, durch scheinbare, nicht wirkliche Thorheit. Denn Das ist eben größer, daß er sich nicht einer höhern Weisheit, als jene war, bediente, um seinen Zweck zu erreichen, sondern einer thöricht scheinenden. Den Platon stürzte er nicht durch einen andern, noch grössern Weisen, sondern durch einen ungelehrten Fischer; so war die Niederlage augenfälliger und der Sieg glänzender. Darauf zeigt Paulus die Kraft des Kreuzes, indem er spricht:
Ps. 101, 86. ↩
