XXV. (76.) An den Abt Mellitus im Frankenreich.
An den Abt Mellitus im Frankenreich.
Inhalt: Er möge dem Augustinus, zu dem zu reisen Adressat im Begriffe steht, den Auftrag Gregors entrichten, dass er die Götzentempel in England nicht zerstören, sondern nach Entfernung der Götzenbilder in christliche Kirchen umwandeln solle. Auch solle dem Volke gestattet werden, an dem Tage der Kirchweihe oder an Martyrerfesten um die Kirche herum Hütten aus Zweigen aufzuschlagen und darin Festmahlzeiten zu halten, damit es einen Ersatz für die aufgegebenen Götzenopfer habe.
Nachdem Du samt der Begleitung, die wir Dir mitgegeben, abgereist warst, gerieten wir in nicht geringe Sorge, weil wir nichts über den glücklichen Verlauf Eurer Reise zu hören bekamen. Wenn Ihr aber mit der Gnade des allmächtigen Gottes zu unserm hochwürdigsten Bruder, dem Bischof Augustin, gekommen sein werdet, so saget ihm, dass ich über eine Angelegenheit der Engländer lange mit S. 645 mir zu Rate gegangen bin. Man soll nämlich bei jenem Volke die Götzentempel keineswegs zerstören, sondern nur die in ihnen befindlichen Götzenbilder vernichten. Man nehme geweihtes Wasser, besprenge die Götzentempel damit, erbaue Altäre und hinterlege Reliquien in denselben. Da nämlich diese Tempel gut gebaut sind, so muss man sie aus Opferstätten der bösen Geister in Orte des wahren Gottesdienstes umwandeln. Wenn das Volk sieht dass man seine Tempel nicht zerstöre, so wird es nichtsdestoweniger den Irrtum ablegen, aber mit um so größerer Freude sich zur Erkenntnis und Anbetung des wahren Gottes an die gewohnten Orte begeben. Und weil man dort viele Ochsen den bösen Geistern zum Opfer zu schlachten pflegte, so muss auch dieser Gebrauch in irgend eine Festlichkeit umgewandelt werden. Am Tage der Kirchweihe oder am Feste der hl. Martyrer, deren Reliquien sich am betreffenden Orte befinden, sollen sie um die in Kirchen umgewandelten Götzentempel herum Gezelte aus Baumzweigen aufschlagen und in denselben mit frommen Gastmählern ein Fest feiern. Nicht mehr für den Teufel sollen sie ihr Vieh opfern, sondern dasselbe zur Ehre Gottes und zur eigenen Nahrung schlachten und, indem sie sich sättigen, dem Geber aller Dinge Dank sagen. Wenn man ihnen auf diese Weise einige äußere Freude lässt, so werden sie den innern Freuden leichter zugänglich sein. Denn offenbar ist es unmöglich, noch unerweichten Gemütern alles auf einmal wegzunehmen. So muss ja auch, wer den höchsten Punkt zu erreichen sucht, stufen- und schrittweise, nicht aber mit Sprüngen sich zu demselben erheben. So offenbarte sich auch der Herr dem israelitischen Volke in Ägypten, gestattete ihnen aber doch die Opfergebräuche, die sie bei den Teufelsopfern zu beobachten pflegten, bei seinem eigenen Dienste beizubehalten, indem er ihnen gebot, Tiere zum Opfer zu bringen. Sie sollten eine andere Gesinnung annehmen und demgemäß bei ihren Opfern das eine abändern, das andere beibehalten. Obschon es also die gleichen Tiere waren, die sie sonst zu opfern pflegten, so war es doch nicht mehr das gleiche Opfer, weil sie es Gott und nicht mehr den Götzen darbrachten.
S. 646 Dies also muss Deine Liebe unserm erwähnten Bruder mitteilen, damit er, da er sich an Ort und Stelle befindet, überlege, wie dies alles am Besten auszuführen sei. Gott erhalte Dich wohl, geliebtester Sohn!
Gegeben am 17ten Juli, im 19ten Regierungsjahre des allerfrömmsten Kaisers Mauritius Tiberius, unsers Herrn, im 18ten Jahre seines Consulates, in der 4ten Indiktion (601).