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S. 277 Das Vater unser, das da anhebt, Vater unser, der im Himmel, ist edel im Inhalt und voll Hoheit im Ausdruck. Nach oben lenkt es den Blick und lehrt, daß Gott der Vater von allen ist. Das Verlangen nach Erbarmung drängt die Kinder, zum Vater zu flehen, und die Zuneigung zu den Hilfsbedürftigen weckt im Vater den Zug zur Barmherzigkeit. Nach dem Willen des Vaters sollen die Kinder leben, aber der Vater stillt auch nach dem Willen der Kinder ihre Nöten und macht sie zu Erben seines ganzen Reichtums. Der Vatername ist gemeinsam den geistigen und den leiblichen Wesen. Die Verrichtungen jedoch sind auf die verschiedenen Teile verteilt und trennen dieselben voneinander. Die irdischen Väter führt der Trieb leiblicher Begierde zur Erzeugung der Kinder, daß sie, in der Zeugung der Begierlichkeit unterworfen, der Begierlichkeit unterworfene Kinder erzeugen. Die Vaterschaft ist etwas Wandelbares. Zu seiner Zeit wird der Sohn Vater; dieser scheidet aus der Welt des Lebens und die Vaterschaft wird von ihm genommen. An seine Stelle tritt der Sohn und wird Vater und geht denselben Weg. So geht die Welt in der Folge der Geschlechter ihrem Ablauf zu.
Einer ist der wahre Vater und Schöpfer der ganzen Welt. Ohne die Begierlichkeit der Erzeugung und ohne die Schmerzen der Geburt hat er alles, das Sichtbare und das Unsichtbare, hervorgebracht. Da er sich Kinder zeugte, kam er auch zu ihnen und lehrte sie zum himmlischen Vater flehen, damit nicht immerdar die Welt in Windeln und Wiege bleibe, im Genuß der Milch und des Kindleinsbreies, versenkt und begraben in S. 278 abstoßendem Unrat, den die Mütter und Ernährerinnen scheuen, und von dem die Erzieher und Pfleger ihr Antlitz abwenden. Diese sind das Gesetz und die Propheten. Sie haben jene im Meere gewaschen und konnten sie nicht rein bringen, durch Flüsse haben sie sie geführt und nicht abgewaschen. Sie wandten reichlich Seife an und wuschen mit Peinlichkeit und brachten sie doch nicht rein. Die um sie Versammelten entfernten sie, warfen sie weg, und sie standen hinausgestoßen. Da erbarmte sich der himmlische Vater, er neigte sich vom Himmel zur Erde, er fand alle in unerträglichem Blutvergießen, in toten Opfern des Götzendienstes. Da erfaßte er sie, reinigte sie und bekleidete sie mit himmlischem Gewande und führte sie wiederum in die Sohnschaft zurück. Er lehrte sie in väterlicher Unterweisung, damit sie beten sollten zum geliebten Vater im Himmel. „Wenn ihr betet,“ sagte er, „so machet nicht nach Kinderart viele Worte.“ Gott hört die Gedanken des Herzens und ist ein gütiger Vergelter der guten Werke. Es genügt, daß der Mund zum Zeugnis also spreche: Vater unser, der du (bist) in dem Himmel, heilig ist dein Name.
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