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S. 8 Wenn die göttliche Stimme uns ermahnt, zu Christus zu kommen, so ermahnt sie uns auch, die Last des Reichthums mit den daraus entstehenden Sünden abzuwerfen und uns dem kreuztragenden Leben der Mönche anzuschliessen. Niemand thue Dieß aber ohne Selbstprüfung und gewöhne sich vorher an Mühsale, damit er sich nicht lächerlich mache, wenn er es unerträglich findet, zur Welt zurückkehrt und Andern Ärgerniß gibt. Auch spiegele sich ein Solcher nicht vor, er könne auch in der Welt Gott dienen. Denn wer in einem Leben von Geistessammlung den Feind nicht besiegen kann, wie wird er es in einem Leben können, welches überall Veranlassung zur Sünde gibt? Aber gesetzt, er könnte ein tugendhaftes Leben führen, so bleibt doch immer auf ihm der Vorwurf, Christus verlassen zu haben. Weil nicht für Alle der jungfräuliche Stand paßt, so hat Gott neben diesem den Ehestand eingeführt, der aber nach dem Beispiele Abrahams gehalten werden und zu jedem Opfer, das der Herr fordert, bereit sein muß, wie Job, David, Samuel, Petrus und die übrigen Apostel. (1) Alle Mönche wie Verheirathete müssen dem Evangelium gehorsam sein. Die Verheiratheten bedürfen größerer Anstrengung und Wachsamkeit, um das Heil zu erlangen, weil sie mehr zur Sünde gereizt werden und den Angriffen des bösen Feindes ausgesetzt sind. Wer diesen harten Kampf nicht übernehmen will, muß ein Leben wählen, wo er weniger Angriffen ausgesetzt ist, oder sich unterrichten lassen, wie er ihn bestehen kann. Was ein Mitkämpfer Christi werden will, der schließe sich ohne Zagen den Mönchen an und lasse sich von seinen Verwandten nicht abhalten, da er statt jener mit Christus vereinigt wird. Er wähle sich einen tugendhaften, schriftkundigen, freigebigen und sanften Mann zum Führer und folge ihm mit voller Hingebung. (2) Der Widersacher sucht uns oft zu bereden, uns keinem solchen Manne anzuvertrauen, sondern einem ehrgeizigen und nachsichtsvollen. Dieser gleicht aber einem blinden Führer, der sich und den er führt in’s Verderben stürzt. Auch wird nicht, wer nicht gesetzmäßig kämpft, gekrönt. (3) S. 9 Thue nichts wider den Willen eines guten Lehrers, den du dir gewählt hast. Was ohne sein Wissen und Wollen geschieht, ist gleichsam Diebstahl und Kirchenraub. Wer die Kunst nicht versteht, Schlangen zu beschwören, der bleibe davon, oder er setzt sich der Gefahr aus, von ihnen gebissen zu werden. Der echte Mönch sucht weder die Wahrheit zu verdrehen noch seinen Bruder in Folge eigener Weichlichkeit zu beargwöhnen noch sich auf eine Weise das Leben zu erleichtern; denn wer es thut, läuft Gefahr abzufallen. Der wahre Mönch hält sich für den Niedrigsten und Sündhaftesten und bemüht sich, der Diener Aller zu sein. Seine Ohren sind offen zum Hören, seine Hände bereit zur Arbeit, sein Mund schweigsam, sein Geist umsichtig, hört nicht aus eitles Gerede, dagegen aufmerksam auf die Lehren der göttlichen Schriften und die Reden heiliger Männer, ahmt den tugendhaften Vorgängern nach, ringt nach höheren Tugenden, ohne die niedrigeren zu versäumen, achtet kein Vergehen gering, richtet nicht über fremde Fehler und ist immer bußfertig. (4) Er flieht vor eiteln Menschen, geht nicht aus. Das Verlassen der Zelle hat schon Manche in’s Verderben gestürzt und, wo das nicht, sie mit Unlust erfüllt, die früheren Werke wieder aufzunehmen. Wer durch Umstände genöthigt wird, die Zelle zu verlassen, der waffne sich mit der Furcht Gottes und der Liebe Christi und kehre nach Verrichtung des Geschäfts sofort zurück. Wer noch jung ist, fliehe den Umgang mit den Altersgenossen, Viele sind durch ihn zu Grunde gegangen. (5) Er suche den Umgang der Alten. Auch esse er Nichts heimlich, damit es ihm nicht gehe wie Adam und er in das Laster der Schlemmerei verfalle, das leicht alle Sinne ergreift und wie kein anderes Laster den Menschen fesselt und ins Verderben bringt. Schlemmer und Fresser bekehren sich am seltensten, und es nisten sich alle Laster bei ihnen ein. Am schlimmsten sind die heimlichen Schlemmer. (6) Beispiele von solchen, denen die Unenthaltsamkeit Schaden und Verderben gebracht, und von solchen, die durch Enhaltsamkeit groß und berühmt geworden. (7) Ermahnung, sich vor dem heimlichen Essen zu hüten, vor eiteln Gesprächen, S. 10 Neugierde, unanständigem Benehmen in Gegenwart Älterer vor Selbstüberhebung und Verachtung der Armen, Hervordrängen und vor zu frühem Verlassen des gemeinschaftlichen Gebets (8) unter allerlei scheinbaren Vorwänden; auch soll man keine aufgetragene Arbeit von einem Anderen verrichten lassen, weil darin die Demuth geübt wird, die Mutter aller Tugenden. Nicht Alle, die in Zellen leben, werden selig, weil sie keine Gewalt gebrauchen d. h. nicht freudig die Beschwerden ertragen, den eigenen Willen nicht verleugnen und sich nicht das Joch Christi durch Fasten, Wachen, Gehorsam, Stillschweigen. Psalmgesänge u. s. f. erleichtern. (9) Niemand soll sich wegen der Stelle, die er im Klerus einnimmt, überheben, sondern je höher Einer steht, desto demüthiger soll er sein. Demuth ist eine Nachahmung Christi, Stolz eine Nachahmung des Teufels. Niemand soll nach höheren Ämtern trachten, jeden Tag sich zu bessern streben und in der Zelle ausharren, um einst ins Paradies einzugehen. (10)
