4.
„Und das Wort war bei Gott.“ Wieder heißt es „war“ um derentwillen, die da lästern, daß er nicht war. Wo war das Wort? An keinem Orte; denn was nicht umschrieben werden kann, findet sich an keinem Orte. Wo war es aber dann? „Bei Gott“. Weder ist der Vater an einem Orte noch der Sohn in einem Raume, noch können sie von einer bestimmten Grenzlinie umschlossen werden, sondern unendlich ist der Vater, unendlich ist der Sohn. Alles, was du denkst und wohin du mit deinem Geiste wanderst, alles wirst du von Gott erfüllt finden, und überall wirst du die mitallgegenwärtige Hypostase des Sohnes finden.
S. 402 „Und das Wort war bei Gott.“ Bewundere die Gemessenheit eines jeden Wortes! Er sagte nicht: „In Gott war das Wort“, sondern „bei Gott“, um die Besonderheit der Hypostase darzustellen. Er sagte nicht „in Gott“, um keinen Anlaß zur Vermengung der Hypostasen zu geben. Denn abscheulich ist auch die Gotteslästerung derer, die alles miteinander zu vermischen suchen und Vater, Sohn und Hl. Geist ein Subjekt nennen und sagen, der einen Sache würden nur verschiedene Bezeichnungen gegeben1. — Abscheulich und nicht weniger zu fliehen ist die Gottlosigkeit derer, die da lästern, der Sohn Gottes sei Gott und dem Vater dem Wesen nach ungleich2.
„Und das Wort war bei Gott.“ Wie er nun des Ausdruckes „Wort“ sich bedient hat, um die Leidenschaftslosigkeit der Zeugung darzutun, so hat er auch eilig die Schädigung behoben, die aus dem Begriffe Wort erstehen könnte. Um es gegen Angriffe seitens der Lästerer zu schützen, sagt er, was das Wort ist: „Gott war das Wort.“ Tüftele mir nur keine Wortunterschiede aus, noch beflecke deine Künstelei die Lehre des Hl. Geistes mit einer Gotteslästerung! Du hast ja den Ausspruch3; unterwirf dich dem Herrn!
„Gott war das Wort; dieses war im Anfange bei Gott.“ Wieder faßt der Evangelist seine ganze Lehre, die er uns über den Eingeborenen überliefert hat, in wenigen Worten zusammen. Wer ist „dieses“? „Dieses“ ist Gott, das Wort. Nachdem der Evangelist den Begriff vom „Worte“ dir deutlich gemacht und deiner Seele durch die Lehre das, was du noch nicht wußtest, gleichsam eingeprägt und Christum, das Wort, in deinem Herzen heimisch gemacht hat, sagt er „dieses“. Was für ein „dieses“? Schau nicht nach außen, wenn du den suchst, der dir durch die Demonstrativpartikel angezeigt wird, sondern steig hinab in das Verborgene deiner eigenen Seele und erkenne den, über den du belehrt worden, daß er im Anfange Gott war, daß er als Wort S. 403 hervorging, daß er bei Gott war, den bewundere und bete als deinen Herrn an, der durch die Lehre in dir Grund gelegt, den erkenne und wisse, daß er „im Anfange war“, d. h. ewig bei Gott, seinem Vater.
Diese wenigen Worte behaltet mir und prägt sie wie ein Siegel eurem Gedächtnisse ein! Sie werden eine unzerbrechliche Mauer sein gegen die Anstürme der Feinde und ein rettender Schild der Seele für die, welche ihn vor sich hinhalten. Kommt jemand zu dir und sagt: „Er wurde geboren, da er nicht war; denn war er, wie ist er geboren worden?“, so verwirf diese Lästerung gegen die Herrlichkeit des Eingeborenen als eine Rede von Dämonen! Du selbst kehre um und komm zu den Worten des Evangeliums: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfange bei Gott.“ Sprich viermal „war“, und du wirst ihr „war nicht“ zuschanden machen. Diese Grundlagen des Glaubens sollen unerschüttert bleiben. Auf ihnen wollen wir mit Gottes Gnade auch das andere4 aufbauen. Wir dürfen nämlich euch nicht alles auf einmal vortragen, damit wir nicht durch eine zu lange Rede zunichte machen, was ihr mit Fleiß gesammelt habt. Der Geist ist nicht imstande, alles auf einmal zu fassen; es geht ihm wie dem Magen, der wegen Übersättigung die genossenen Speisen nicht verdauen kann. Möge das Gebotene beim Kosten süß sein und beim Verdauen anschlagen! Gerne stehe ich aber euch bereit, mit dem noch Fehlenden euch zu dienen in Christus Jesus, unserm Herrn, dem die Ehre und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
