1. Der Adressat der Briefe.
S. 391 Serapion war vor seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl von Thmuis (in Unterägypten) Vorsteher einer Mönchsgemeinde1. Wann er die bischöfliche Würde erhielt, ist uns nicht genau bekannt; es muß aber vor 340 gewesen sein, da uns aus diesem Jahre bereits ein Brief erhalten ist, den Athanasius an den Bischof Serapion richtete2. Etliche Jahre später treffen wir auf der Synode von Sardica (343) zwei ägyptische Bischöfe mit Namen Serapion, die für Athanasius eintraten3; einer derselben wird wohl Serapion von Thmuis gewesen sein. Auch in der Folge hat Serapion seinem großen Freunde die Treue bewahrt. So stand er auch an der Spitze der Gesandtschaft, die Athanasius, wohl 355, freilich erfolglos, zu seiner Verteidigung an Kaiser Konstantius abordnete4. Im Jahre 359 erscheint indes auf der Synode von Seleukia bereits ein arianischer Bischof Ptolemäus von Thmuis5. Serapion mußte aber damals noch am Leben sein, da in den Jahren 356 bis 362, wohl nach 358, Athanasius an ihn mehrere Briefe schrieb6. Er wird also wohl um 359 durch die Arianer von seinem Sitz vertrieben worden sein. Dazu stimmt es, wenn Hieronymus rühmend Serapions Bekennertum er- S. 392 wähnt7. In welches Jahr nach 362 sein Tod fällt, entzieht sich unserer Kenntnis. Im Martyrotogium Romanum ist sein Name am 21. März angesetzt.
Serapion erfreute sich in kirchlichen Kreisen eines großen Ansehens. Athanasius scheint sich seiner Vermittlung bedient zu haben, um auch in der Ferne mit seiner Diözese in Fühlung zu bleiben. Dies dürfen wir wohl daraus schließen, daß das bereits erwähnte unter die Festbriefe des Athanasius geratene Schreiben Serapion mit der Verbreitung des mitfolgenden Festbriefes beauftragt. Gleich Athanasius war auch Serapion eng mit dem großen Antonius befreundet, der ihm seine Visionen mitzuteilen pflegte und ihm beim Tode eines seiner beiden Schaffellkleider hinterließ, während das andere Athanasius zufiel8.
Der Kirchengeschichtschreiber Sozomenos nennt Serapion einen Mann von großer Heiligkeit und hervorragender Beredsamkeit9, und Hieronymus hat uns die Nachricht aufbewahrt, daß Serapion wegen seiner außergewöhnlichen Bildung den Beinamen σχολαστικός erhielt10. Vielleicht dürfen wir es daher nicht ausschließlich als bloße Höflichkeit ansehen, wenn Athanasius in den Briefen an seinen Freund wiederholt der Gelehrsamkeit und Einsicht desselben gedenkt11. Auch der literarische Nachlaß Serapions läßt ein günstiges Urteil in dieser Hinsicht gerechtfertigt erscheinen. Durch Hieronymus12 erfahren wir nämlich auch, daß Serapion ein Werk gegen die Manichäer verfaßte, eine Abhandlung über die Psalmüberschriften und mehrere Briefe schrieb.
Das Buch über die Psalmüberschriften ist uns verloren. Von den Brieten kennen wir ein Trostschreiben an einen kranken Bischof Eudoxios13, eine längere, in S. 393 Briefform gehaltene Abhandlung über das gottgeweihte Leben, die an alexandrinische Mönche gerichtet ist14, kleine Reste eines weiteren Briefes15 und drei syrische Fragmente von zweifelhafter Echtheit16. Auch die Schrift gegen die Manichäer17, die infolge eines widrigen Geschickes jahrhundertelang in ihrem bedeutendsten Teil einem gleichfalls gegen die Manichäer gerichteten Werk des Titus von Bostra eingefügt war18, ist uns nur mit Lücken erhalten. In einer Handschrift des Athosklosters Hagia Lavra endlich ist uns noch ein Serapion als Verfasser bezw. Redaktor zugehöriges Euchologion mit dreißig liturgischen Gebeten19 und einer in Briefform abgefaßten aber vielleicht älteren20 dogmatischen Abhandlung περὶ πατρὸς καὶ υἱοῦ aufbewahrt21.
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Athanasius, Epist. ad Dracont. 7. ↩
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Unter den Festbriefen des Athanasius (Migne, Patrol. Gr. 26, 1412—14). ↩
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Athan., Apol. o. Ar. 50. ↩
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Sozomenus, Hist ecel. 4, 9; vgl. Hist. aceph., ed. Batiffol, p. 101. ↩
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Epiphanius, Haer. 73, 26. ↩
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Neben den vier hier übersetzten dogmatisch-polemischen Schreiben sandte Athanasius in diesen Jahren an Serapion auch seine „Geschichte der Arianer", der er einen Brief über den Tod des Arius beilegte (Migne, 1. c. 25, 685-90). ↩
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De vir. iilustr. 99; vgl. Epist. 70, ad Magnum, 4 ↩
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Athanasius, Vita s. Antonii 82. 91. ↩
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Hist. eccl. 4, 9. ↩
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De vir. illustr. 99. ↩
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Vgl. 2, 1; 4, 7; 4, 23. ↩
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De vir. illustr. 99. ↩
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A. Mai, Classici auctores 5, Rom 1838, 864 f. (Migne, 1. c. 40, 923-26). ↩
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A. Mai, Spicileg. Rom. 4, Rom 1840, praef. XLV—LXVIII, vgl. XLI (Migne, l. c. 40, 925—942). ↩
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Pitra, Anal. saora 2, typ. Tuscul. 1884, prol. XL; Anal. sacra et class. 1, Paris 1888, 47. ↩
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Veröffentlicht von P. Martin: Pitra, Anal. sacra 4, 214—15. 443—44. ↩
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Erstmals herausgegeben von J. Basnage, Thesaurus monumentorum eccl. et hist. 1, Antwerpen 1725, 35—55; abgedruckt auch bei Migne, l. c. 40, 899—924; Ergänzungen bei Pitra, Anal. sacra Spicil. Solesm. parata (8 Bde., Paris 1876—91) 5, 1, 44ss. ↩
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P. A. de Lagarde, Titi Bostreni, quae ex opere contra Manichaeos edito in codice Hamburgensi servata sunt graece, Berlin 1859, 69-108; vgl. III; A. Brinkmann, Die Streitschrift des Serapion von Thmuis gegen die Manichäer: Sitzungsberichte der k. preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, philologisch-histor. Klasse 1894, 1 Halbbd. 479—491. ↩
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S. darüber Bibliothek der Kirchenväter: Griechische Liturgien,135ff. ↩
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O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, 3. Bd. Freiburg 1912, 102. ↩
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Über Serapion vgl.: Tillemont, Mémoires pour servir à l'histoire ecclésiastique 8 (ed. 2.. Paris 1713), 134-145. 696-697. Texte und Untersuchungen XVII3b (1898), 25-30; O. Bardenhewer, Kirchenlexikon 11, 179-82: Krüger: Hertzog-Hauck, Protest. Realencyklopädie 18, 219f. O. Bardenhewer, Patrologie, 3. Aufl., Freiburg 1910, 226 f.; Ders., Gesch. der altkirchl. Literatur 3, 98—102. ↩