28.
Da nun damals ihre Sprüchlein als unhaltbar erwiesen wurden, und ihre Gottlosigkeit immer leicht nachgewiesen wurde, entlehnten sie den Ausdruck „des Unentstandenen“ (τοῦ ἀγενήτου [tou agenētou]) von den Griechen1 oder Heiden, um S. 235 unter dem Vorwande dieser Benennung das Wort Gottes, durch welches die entstandenen Dinge selbst geworden sind, wieder unter die entstandenen und geschaffenen Dinge zu zählen: so unverschämt sind sie in der Behauptung ihrer Gottlosigkeit, und so hartnäckig in den Lästerungen gegen den Herrn. Wenn sie nun, weil sie die Bedeutung dieses Wortes nicht kennen, so unverschämt sind, so hätten sie diese von denjenigen selbst, welche ihnen dasselbe gegeben haben, erlernen sollen. Denn diese haben sich nicht gescheut, den Geist, welcher, ihrer Angabe nach, aus dem Guten, und die Seele, welche nach ihnen aus dem Geiste seyn soll, obgleich sie wußten, woher diese sind, unentstanden zu nennen, indem sie nämlich wußten, daß sie durch diese Benennung dem ersten Anfange, woraus diese entstanden sind, nichts benehmen. So hätten auch jene sprechen, oder von Dingen, die sie nicht verstehen, gar nicht reden sollen. Glauben sie es aber zu verstehen, so müssen wir sie fragen, zumal weil dieser Ausdruck nicht aus den göttlichen Schriften genommen ist, sondern sie ihn, auf keine Autorität der Schrift gestützt, in ihren Streitreden gebrauchen. Denn ich habe die Ursache und den Sinn angegeben, aus welcher und in welchem die Synode die Ausdrücke: „Aus der Wesenheit“ und „gleichen Wesens“ in Uebereinstimmung mit dem, was aus den Schriften über den Heiland gesagt ist, gebraucht, und habe gesagt, welche Väter früher, als die Synode, dieselben angeführt und niedergeschrieben haben; sie aber mögen, wenn sie je können, antworten, wie sie diesen Ausdruck, der nicht in der Schrift steht, gefunden haben, oder in welchem Sinne sie Gott ἀγένητον [agenēton] nennen. Denn ich habe gehört, daß dieser Ausdruck verschiedene Bedeutungen habe. Denn ἀγένητον [agenēton], heißt es, nennet man, was noch nicht entstanden ist, aber noch entstehen kann; ferner, was weder vorhanden ist, noch entstehen kann, so daß es wäre; und drittens bedeutet es das, was zwar da ist, aber weder entstanden ist, noch S. 236 einen Anfang seines Daseyns gehabt hat, sondern was ewig und unvergänglich ist. Vielleicht wollen sie nun zwar die beiden erstern Bedeutungen umgehen, wegen der Ungereimtheit, die sich aus denselben ergibt. Denn der ersten Bedeutung zufolge wird man das, was bereits entstanden ist, und das, dessen Entstehung man erwartet, ἀγένητον [agenēton] nennen können. Denn die zweite enthält noch mehr Unsinn, als diese. Es bleibt ihnen also übrig, zur dritten zu schreiten, und das Wort ἀγένητον [agenēton] in diesem Sinne zu nennen. Allein wenn sie auch dieses sagen, so sind sie doch nichts desto weniger gottlos. Denn nennen sie das, was keinen Anfang des Seyns hat, und was nicht entstanden oder geschaffen, sondern ewig ist, ἀγένητον [agenēton], und behaupten sie, das Wort Gottes sey das Gegentheil von diesem; wer sieht dann die Verschlagenheit der Gottlosen nicht ein? Wer möchte sie, da sie sich einen solchen Unsinn erlauben, nicht steinigen? Denn da sie sich schämten, ihre frühern mährchenhaften Worte, wegen welcher sie verdammt worden sind, noch ferner vorzubringen, bemühten sich die Elenden, dieselben wieder auf eine andere Weise durch den Namen des von ihnen sogenannten ἀγένητος [agenētos] vorzutragen. Denn wird der Sohn den gemachten Dingen beigezählt, so ist offenbar auch er aus Nichts gemacht worden; und wenn er einen Anfang des Seyns hat, so war er nicht, ehe er gezeugt wurde; und wenn er nicht ewig ist, so gab es einmal eine Zeit, wo er nicht war.
Vielleicht haben sie diesen Ausdruck von Plato entlehnt; denn dieser nennt in seinem Phaedrus die Seele unentstanden (ἀγένητον [agenēton]). Seine Worte sind: „Jede Seele ist unsterblich. Denn was sich immer bewegt, ist unsterblich; was aber ein anderes bewegt, und von einem andern bewegt wird, dessen Leben hat, wenn die Bewegung ein Ende hat, auch ein Ende. Das allein also, was sich selbst bewegt, hört, weil es sich selbst nicht verläßt, niemals auf bewegt zu werden; ja es ist sogar für die übrigen Dinge, welche bewegt werden, die Quelle und der Anfang der Bewegung. Der Anfang aber ist unentstanden. Denn aus dem Anfange muß Alles entstehen, was entsteht, er selbst aber darf aus Nichts entstehen, denn würde der Anfang aus etwas entstehen, so würde nicht Alles aus dem Anfange entstehen. Da er aber unentstanden ist, so ist er auch nothwendig unzerstörbar.“ Und bald hierauf sagt er: „Wenn es also sich so verhält, daß das, was sich selbst bewegt, nichts anders ist, als die Seele, so muß die Seele unentstanden und unsterblich seyn.“ ↩
