1. Antwort
Das Beispiel von den Gliedern, deren Gebrauch mannigfaltig ist, erklärt uns den zu behandelnden Gegenstand recht passend. Da früher gezeigt worden, daß ein Körper, der zu jeder Handlung gut und entsprechend sein soll, S. 124 Augen, Zunge und die übrigen nothwendigen und unentbehrlichen Glieder haben muß, so wird schwer und mit Mühe eine Seele gefunden, die das Auge Mehrerer sein kann. Denn wenn die Zucht einen Vorsteher der Brüderschaft fordert, welcher vorsichtig, redegewandt, nüchtern, barmherzig und mit vollkommenem Herzen die Satzungen Gottes sucht; wie kann man in einem und demselben Dorfe mehrere dergleichen finden? Sollte es sich aber auch einmal treffen, daß zwei oder drei gefunden werden, was freilich nicht leicht ist und, soviel wir wissen, nie geschehen ist, so ist es viel besser, wenn sie mit einander die Sorge theilen und sich die Arbeit erleichtern, so daß, wenn der eine Vorsteher verreiset oder beschäftigt oder sonst verhindert ist, wie es sich denn wohl trifft, daß der eine Vorsteher der Brüderschaft abwesend ist, der andere die Abwesenheit jenes ersetze; oder ist Das nicht der Fall, so möge er zu einer anderen Brüderschaft gehen, die eines Führers bedarf. Viel kann uns auch für den vorliegenden Zweck die aus anderen Verhältnissen geschöpfte Erfahrung nützen. Wie nämlich bei den gewöhnlichen Handwerkern daraus, daß sie mit einander wetteifern, unbemerkt Eifersucht entsteht, ebenso pflegt es häufig auch in einem solchen Leben zu geschehen. Denn Anfangs wetteifern sie im Guten und streben einander zu übertreffen, entweder in der Aufnahme der Fremden oder in der Vermehrung der Zahl der Mönche oder in anderen Werken dieser Art, bis es dann zu Hader und Ränken kommt. Dann geschieht es, daß die Brüder, welche aus der Fremde kommen, sehr in Zweifel gerathen und Unannehmlichkeit statt Ruhe finden, indem sie nicht wissen, bei welchen sie einkehren sollen; denn es ist nimmer traurig, die Einen vorzuziehen, und doch ist es nicht möglich, beiden genug zu thun, zumal wenn sie Eile haben. Denen aber, welche von Anfang mit ihnen zusammenleben, werden sie große Verlegenheit über die Wahl der Vorsteher ihres Lebens bereiten, da sie überhaupt, wenn sie die Einen wählen, die Anderen verwerfen müssen.
