3.
Was gibt es wohl für einen größeren Beweis von Demuth, als wenn die Vorgesetzten der Brüderschaft einander untergeben sind! Denn sind sie an geistigen Gaben gleich, so ist der Wetteifer um so schöner. Darauf weiset uns auch der Herr hin, der seine Jünger paarweise aussandte; auch wird sich der Eine dem Anderen mit Freude unterworfen haben, eingedenk des Herrn, der da sagt: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“1 Trifft es sich aber, daß der Eine weniger, der Andere mehr Gaben hat, so ist es zuträglich, daß dem Schwächeren von dem Stärkeren unter die Arme gegriffen wird. Denn anders wäre es doch wohl eine offenbare Übertretung des apostolischen Gebots, der da sagt, „daß nicht Jeder auf das Seinige sehen sollte, sondern auf Das, was des Andern ist.“ Denn ich glaube nicht, daß Dieses bei getrennten Wohnungen geschehen kann, da jede Abtheilung nur für die zu ihr Gehörenden sorgt und die Sorge für die Übrigen abweiset, was, wie gesagt, offenbar dem Gebote des Apostels widerspricht. Auch bezeugen die Heiligen, von denen in der Apostelgeschichte einmal geschrieben steht: „Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele;“2 dann: „Alle Gläubigen waren zusammen an demselben Orte und hatten Alles gemeinschaftlich,“3 daß unter ihnen allen keine Theilung stattfand, und daß Keiner nach seinem Belieben lebte, sondern daß Alle unter einer und derselben Obsorge geleitet wurden, trotzdem, daß ihrer im Ganzen fünftausend an der Zahl waren, unter denen nach menschlichem Dafürhalten es Manches gab, was der Vereinigung hinderlich zu sein S. 127 schien. Sind nun aber in den einzelnen Dörfern bei Weitem weniger, aus welchem Grunde sollten sie denn von einander getrennt leben? Möchte es doch nur geschehen können, daß nicht allein die in demselben Dorfe Lebenden zusammenblieben, sondern daß mehrere an verschiedenen Orten bestehende Bruderschaften unter der einen Obsorge Solcher, die ohne Parteilichkeit und mit Weisheit die Angelegenheiten Aller ordnen können, in der Eintracht des Geistes und durch das Band des Friedens auferbaut werden!
