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Nun denn, wird man sagen, wird der größte Theil der Christen, da er nicht alle Gebote hält, einige ohne Nutzen beobachten? Hierbei ist es gut des seligen Petrus zu gedenken, der, nachdem er so viele Werke vollbracht, so viele Seligpreisungen empfangen hatte, eines Vergehens wegen hörte: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Theil an mir.“1 Ich brauche nicht zu sagen, daß Dieses keineswegs ein Beweis von Leichtsinn oder Verachtung, sondern vielmehr ein Ausdruck der Ehrfurcht und Hochachtung war. Aber, wird man sagen, es steht doch geschrieben: „Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden,“2 so daß schon die Anrufung des Namens des Herrn dem S. 47 Anrufenden zur Seligkeit genügt. Aber dieser höre auch den Apostel sprechen: „Wie werden sie den anrufen, an den sie nicht glauben?“3 Glaubst du aber, so höre den Herrn sagen: „Nicht Jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters thut, der im Himmel ist.“4 Hat doch auch Derjenige, der den Willen des Herrn thut, aber nicht so, wie es Gott will, und nicht aus inniger Liebe zu Gott, seinen Eifer zur Arbeit vergebens aufgewendet, selbst nach dem Ausspruche unsers Herrn Jesus Christus, welcher sagt: „Sie thun es, um von den Menschen gesehen zu werden. Wahrlich ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin.“5 Hierdurch wurde auch der Apostel Paulus bewogen zu sagen: „Und wenn ich alle meine Güter unter die Armen austheilte, und wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, hätte aber die Liebe nicht, so nützte es mir Nichts.“6 Überhaupt sehe ich drei Beweggründe, die unausweichlich zum Gehorsam zwingen. Denn entweder vermeiden wir das Böse aus Furcht vor der Strafe und sind knechtisch gesinnt, oder wir erfüllen die Gebote, die Früchte des Lohnes suchend, zu unserm eigenen Nutzen, und gleichen darin den Miethlingen, oder weil es an sich gut ist und aus Liebe zu Demjenigen, der uns das Gebot gegeben hat, indem wir uns freuen, daß wir gewürdigt worden sind, einem so glorreichen und guten Gotte zu dienen, und haben so eine kindliche Gesinnung. Daher wird denn auch Derjenige, welcher die Gebote aus Furcht erfüllt und immer die Strafe der Versäumniß vor Augen hat, nicht das Eine des ihm Gebotenen thun und das Andere vernachläßigen, sondern die Strafe für jede Vernachläßigung in gleicher Weise für schrecklich ansehen. Und deßwegen wird der selig gepriesen, der sich Allem in kindlicher Furcht unterwirft, in der Wahrheit feststeht und sagen kann: „Ich sehe den Herrn unabläßig vor S. 48 meinen Augen, denn er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht wanke,“7 als habe er sich vorgesetzt, Nichts von dem, was seine Pflicht ist, zu vernachläßigen. Ferner: „Selig der Mann, welcher den Herrn fürchtet.“8 Warum? „Denn er hat an dessen Geboten sein Wohlgefallen.“ Daher denn freilich Diejenigen, welche den Herrn fürchten, kein Gebot vernachläßigen oder saumselig erfüllen; selbst nicht einmal der Miethling wird eine Vorschrift übertreten wollen. Denn wie wird er den Lohn für die Pflege des Weinbergs empfangen, wenn er nicht Alles, was dazu gehört, erfüllt hat? Denn läßt er es nur in einem Stücke an dem Nothwendigen fehlen, so macht er den Weinberg für den Besitzer unnütz. Wer aber wird dem Urheber des Schadens noch einen Lohn für den Schaden geben? Der dritte Beweggrund war der Gehorsam aus Liebe. Welcher Sohn nun, der die Absicht hat, seinem Vater wohl zu gefallen, wird ihn in größeren Dingen erfreuen, in noch so kleinen aber betrüben wollen? um so mehr, wenn er sich an den Apostel erinnert, der sagt: „Und betrübet nicht den heiligen Geist, mit welchem ihr versiegelt seid.“9
