3.
Besetzest du daher den Tisch zum Vergnügen deines Bruders mit vielen und überflüssigen Speisen, so klagst du ihn des Hanges zum Wohlleben an, machst ihm dadurch den Vorwurf der Schlemmerei und überführst ihn der Üppigkeit. Oder haben wir nicht oft, wenn wir die Art und Weise der Zubereitung sehen, geschlossen, wer und was der sei, der erwartet wird? Der Herr lobte die vielbeschäftigte Martha nicht, sondern sagte: „Du machst dir Sorge und bekümmerst dich um viele Dinge; aber nur Weniges oder S. 101 Eines ist nothwendig.“1 Weniges nämlich in Rücksicht auf die Zubereitung, Eines in Rücksicht auf den Zweck, das Bedürfniß zu befriedigen. Auch weißt du, was für eine Speise der Herr selbst den fünftausend Menschen vorsetzte. Das Gebet Jakobs zu Gott lautete: „Wenn du mir Brod zu essen gibst und ein Kleid zum Anziehen;“2 er sagt nicht: wenn du mir Schwelgerei und Pracht gibst. Was denn begehrte der sehr weise Salomon? „Reichthum und Armuth gib mir nicht, gib mir das Nothwendige und Hinreichende, damit ich nicht gesättigt ein Lügner werde und sage: Wer sieht mich? oder aus Armuth stehle und abschwöre den Namen meines Gottes.“3 Unter Reichthum versteht er die Überfülle, unter Armuth aber den gänzlichen Mangel des zum Leben Nothwendigen; durch das Hinreichende deutet er an, daß das Nothwendige weder mangle noch im Überfluß vorhanden sei. Je nach Beschaffenheit des Leibes und dem vorhandenen Bedürfnisse ist für den Einen dieses, für den Anderen jenes hinreichend. Der Eine bedarf wegen der Arbeit mehr Speise, der Andere wegen seiner Schwäche überhaupt einer leichteren und verdaulicheren Kost. Im Allgemeinen reicht für Alle eine wohlfeile und leicht zu beschaffende Kost hin. Vor Allem müssen wir bei Tische darauf bedacht sein, die Grenze des Bedürfnisses nicht zu überschreiten; dagegen fordert die Gastfreundschaft, Jedem, der einkehrt, nach Bedürfniß zu verabreichen, denn es heißt: „Wie diese Welt gebrauchend, nicht mißbrauchend.“4 Mißbrauch aber ist der das Bedürfniß übersteigende Aufwand. Wir haben kein Geld? Wir sollen auch keines haben. Unsere Vorrathskammern sind nicht voll? Wir haben aber unsere tägliche Nahrung, durch unsere Hände den Lebensunterhalt. Warum nun vergeuden wir die Speise, die Gott den Hungrigen gegeben hat, zum Vergnügen der Schwelger? Hierdurch versündigen wir uns auf zweifache Weise, indem S. 102 wir Jenen die Bedrängnisse der Armuth und Diesen die aus der Völlerei entstehenden Nachtheile vergrößern.
