3.
Und nicht allein das, sondern wir werden auch „das Schwert des Geistes“ ergreifen, so daß wir nicht S. 486 mehr bloß gegen die feindlichen Hiebe sicher sind, sondern sogar auf den Teufel selbst einhauen. Denn eine Seele, welche nicht an sich verzweifelt und die feurigen Pfeile nicht in sich eindringen läßt, wird mit großem Mute dem Feinde entgegentreten und dessen Harnisch mit demselben Schwerte zerschmettern, mit welchem Paulus ihn zerschmettert und seine Anschläge zunichte gemacht hat; er wird den Drachen in Stücke hauen und ihm den Kopf abschlagen. - „Welches ist das Wort Gottes“. Unter Wort versteht er hier entweder ein Gebot oder ein Befehl oder aus „im Namen Jesu Christi“. Wenn wir die Gebote Gottes erfüllen, so werden wir dadurch ihn, den Drachen, die falsche Schlange, erlegen und töten. - Nachdem aber der Apostel gesagt: „Ihr werdet imstande sein, die feurigen Pfeile des Teufels auszulöschen“, zeigt er, um sie nicht aufgeblasen zu machen, daß sie vor allem hierzu des göttlichen Beistandes bedürfen. Denn wie fährt er fort? „Mit allem Gebet und Flehen“ wird das geschehen, sagt er, und ihr werdet alles erreichen, wenn ihr betet. - Nie aber sollst du vor Gott hintreten, um für dich allein zu bitten; nur so wirst du Gottes Huld und Gnade erlangen. - „Mit allem Gebet und Flehen“, heißt es, „betet allezeit im Heiligen Geiste und wachet dazu in aller Beharrlichkeit und Fürbitte für alle Heiligen.“ Suche das Gebet nicht auf gewisse Zeiten des Tages zu beschränken! Denn höre, was er sagt: Zu jeder Zeit sollst du [Gott im Gebete] nahen. „Betet“, heißt es, ohne Unterlaß!„1 . Hast du nicht von jener Witwe gehört, wie sie durch Zudringlichkeit ihr Recht durchgesetzt hat?2 . Hast du nicht gehört von jenem Freunde, der mitten in der Nacht durch anhaltendes Drängen endlich doch Gehör fand?3 . Hast du nicht von der Syrophönizierin gehört, wie sie dem Herrn die Gewährung ihrer Bitte abnötigte, weil sie sich nicht abweisen S. 487 ließ?4 . Diese alle erreichten durch Beharrlichkeit ihr Ziel. - “Betet„, sagt er, “allezeit im Geiste „; d. h., [nur] was dem Willen Gottes gemäß ist, sollen wir erstreben, nichts Weltliches, nichts Irdisches. - Indes, es ist nicht bloß die Unablässigkeit erforderlich beim Gebet, sondern auch die Wachsamkeit. “Und wachet dazu„, sagt der Apostel. Sei es, daß er darunter das Nachtwachen versteht oder die Nüchternheit der Seele: Ich lasse beide Auslegungen gelten. Siehst du, wie jenes kananäische Weib wachte?5 . Als der Herr ihr keine Antwort gab, sie sogar barsch abwies und mit einem Hunde verglich, da sprach sie:
“Ja, Herr; aber auch die Hunde essen von den Brosamen, die vom Tische ihrer Herren fallen.„ Und sie stand nicht ab von ihrer Bitte, bis sie Gewährung derselben erhielt. - Und wie jene Witwe schrie und so lange ausharrte, bis sie den Richter, der weder Gott fürchtete noch einen Menschen scheute, zu erweichen vermocht hatte? - Und wie jener Freund in später Nacht vor der Türe aushielt, bis er den anderen durch hartnäckiges Klopfen bewog, aufzustehen und ihm zu willfahren? Das heißt wachen. - Willst du die Wachsamkeit beim Gebete kennenlernen? Gehe hin zu Anna6 , höre ihre eigenen Worte: “Adonai, Eloi Sabaoth!„ Oder vernimm vielmehr, was diesen Worten vorausging. Die Schrift erzählt: Nachdem sie alle vom Tische aufgestanden waren, gab jene sich nicht dem Schlafe, nicht der Ruhe hin. Daraus schließe ich, daß sie auch bei Tische mäßig blieb und sich nicht mit Speisen überlud; sonst hätte sie wohl nicht so viele Tränen vergossen. Denn wenn wir, trotz Nüchternheit und Fasten, nur mit Mühe so beten, oder vielmehr niemals so beten, dann hätte noch weit mehr jene nach Tische nicht so gebetet, wenn sie nicht auch bei Tische einer Fastenden geglichen hätte. Wir müssen uns schämen vor dieser Frau. Wir, die wir gähnen beim Gebete um das Himmelreich, müssen S. 488 uns schämen vor ihr, die beim Gebete um ein Söhnlein in Tränen zerfloß. -
“Und sie trat hin vor das Angesicht des Herrn„, heißt es; und was spricht sie? “Adonai, Eloi Sabbaot!„ Das heißt in unserer Sprache; “Herr Gott, der Heerscharen!„ Der Zunge eilten die Tränen voraus; mit diesen hoffte sie Gott zu rühren. Wo Tränen sind, da ist auch Trübsal; wo Trübsal, da auch Liebe zur Weisheit und Achtsamkeit. “Wenn du„, sprach sie, “das Flehen deiner Magd erhörst und mir einen Sohn gewährst, so will ich ihn dem Herrn geben alle Tage seines Lebens.„ Sie sagte nicht: auf ein Jahr oder zwei, wie wir; auch nicht: wenn du mir ein Kind schenkst, so will ich dir Geld opfern, sondern: dein Geschenk selbst, den erstgeborenen, heißerflehten Sohn, will ich unbedingt und rückhaltlos zum Opfer bringen. Das war eine Tochter Abrahams. Der Herr schenkte ihr auf ihre Bitte hin einen Sohn, und sie bringt ihn schon vor der Gewährung ihrer Bitte dem Herrn wieder zum Opfer. Beachte sodann auch ihre fromme Scheu! “Ihre Stimme„, sagt die Schrift, ward gar nicht gehört, nur ihre Lippen bewegten sich.“ So muß, wer Erhörung finden will, sich Gott nahen, nicht schläfrig, nicht gähnend, nicht matt, nicht vor Langeweile sich kratzend, nicht gleichgültig. - Hätte Gott nicht auch ohne ihr Gebet den Sohn schenken können? Kannte er denn nicht schon vor ihrer Bitte das Verlangen der Frau? Gewiß; aber wenn er es schon vor der Bitte gewährt hätte, dann wäre die Opferfreudigkeit der Frau nicht zutage getreten, dann wäre ihre Tugend nicht offenbar geworden, dann hätte sie nicht so großen Lohn erworben. Daher zeugt der Aufschub nicht von Neid und Mißgunst, sondern von liebevoller Fürsorge.
