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Manche haben denn versucht, die Nativität1, die Zukunft jedes Neugeborenen, festzustellen. S. 142 Und doch ist das nicht bloß ein eitles, sondern auch ein verderbliches Beginnen für den Fragesteller, eine Unmöglichkeit für den Auskunfterteiler. Was wäre auch so verderblich für einen jeden als die Selbsteinrede, er sei das, was die Geburt aus ihm gemacht hat? Niemand darf demnach sein Leben, seinen Stand, seinen Charakter ändern und ernstlich der Besserung sich befleißigen, sondern bei jener Einrede es bewenden lassen. Den Rechtschaffenen kann man nicht loben, den Ungerechten nicht verurteilen, da er ja augenscheinlich seinem Geburtsverhängnis entsprechend handelte. Und wie konnte der Herr den Guten Lohn oder den Ungerechten Strafe in Aussicht stellen, wenn die sittliche Führung auf innerer Nötigung beruht und den Wandel der Gestirne Lauf vorzeichnet? Nichts der Charakter-, nichts der Verstandesbildung, nichts dem Willensstreben überlassen, was heißt das anders als dem Menschen den Menschen ausziehen? Wie viele sehen wir, die dem Laster und Sündenleben entrissen, zu einem besseren Zustande sich bekehrt haben! Nicht die Geburtsstunde erlöste und berief die Apostel aus Sündern, sondern Christi Ankunft heiligte sie, und die Stunde des Leidens des Herrn erlöste sie vom Tode. Der verurteilte Schächer, der mit dem Herrn gekreuzigt wurde, ging nicht dank seiner Geburt, sondern kraft seines Glaubensbekenntnisses in die Ewigkeit des Paradieses ein2. Den Jonas warf nicht ein Geburtsverhängnis ins Meer, sondern die Sünde, mit der er sich der göttlichen Verkündigung entzog. Und ein Fischungeheuer nahm ihn auf und spie ihn zur Sinnbildung eines künftigen Geheimnisses nach drei Tagen wiederum aus und gab ihn dem Verdienste des Prophetenamtes zurück3. Den Petrus, der schon vor Tod und Hinrichtung stand, befreite Christi Engel, nicht der Sterne Lauf aus dem Kerker4. Den Paulus bekehrte die Blindheit zur Gnade5 und retteten, als er vom Vipernbiß getroffen war und als er im Schiffbruch trieb, nicht die Heilmittel der Geburt, sondern die Verdienste seiner S. 143 Frömmigkeit6. Was brauchen wir jener Erwähnung tun, die auf das Gebet (der Apostel) wieder aufstanden, nachdem sie gestorben waren?7 Rief sie ihr Geburtsstern oder der Apostel Gnadenerweis ins Leben zurück? Wozu war es (für letztere) nötig, sich Fasten und Gefahren hinzugeben, wenn sie dank ihrer Geburt an das gewünschte Ziel gelangen konnten? Hätten sie das geglaubt, würden sie bei ihrem Zuwarten auf das notwendige Eintreten des Fatums nimmer zu so großem Gnadenbesitz gelangt sein. ― Verderblich also ist solche Einrede.
