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Niemand aber tadle es, daß der Schöpfer der Schlange unter seine Geschöpfe auch noch andere giftige Tier oder Pflanzenarten aufgenommen hat. Denn diese sind zu unserer Besserung, nicht zur Entstellung [der Schöpfung] ins Dasein gesetzt worden. Was S. 260 Feiglingen oder Schwächlingen oder Gottlosen zumeist Stein des Anstoßes und Gegenstand der Furcht ist, frommt den anderen wie der Zuchtmeister den Kleinen. Anscheinend rauh, streng und pedantisch, mit seiner Rute gefürchtet, wehrt er nur der ungebundenen Ausgelassenheit, dringt auf die notwendige Zucht, hält die jugendlichen Gemüter mit der Furcht im Zaume, daß sie nicht zu üppig werden. So macht seine Strenge sie genügsam, nüchtern, enthaltsam, mehr auf löbliches Betragen als auf Spiel bedacht. Siehst du, wie nützlich die gefürchtete Rute ist? So sind auch die Schlangen Zuchtruten für jene, die geistig noch in den Kinderjahren stehen und deren Tugend noch etwas Knabenhaftes an sich hat. Im übrigen vermögen sie Erwachsenen nicht zu schaden. So gilt denn dem, der auf den Herrn vertraut, das Wort: „Über Natter und Schlange wirst du hingehen und niedertreten Leu und Drachen“. Den Paulus biß eine Viper, und man glaubte, er würde, ein sündiger Mensch, kaum dem Schiffbruche entgangen, durch Gift umkommen. Doch als er die Viper ins Feuer schleuderte und unversehrt am Leben blieb, fand er von denen, die es sahen, um so größere Hochachtung. Aber auch der Herr selbst richtet an alle das Wort: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird selig werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Es werden aber,“ fügt er bei, „denen, die glauben, diese Zeichen folgen: sie streicheln Schlangen mit der Hand, ob sie auch Gift und jegliches Tötliche getrunken, es kann ihnen nicht schaden“. Mehr denn vor Schlangengift muß dir nun, o Mensch, vor der eigenen Ungläubigkeit grauen. Fürchte immerhin jenes, damit es dich wenigstens als Schreckmittel womöglich zum Glauben bewege! Fehlt es dir an Gottesfurcht, so magst du mindestens bangen vor dem rächenden Gift des Unglaubens.
