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Jetzt, da du selbst die Elefanten und Löwen dir untertan siehst, „erkenne dich selbst“, o Mensch! Dieser S. 261 Ausspruch stammt nicht, wie man meint, vom pythischen Apollo, sondern vom heiligen Salomo, der da spricht: „Wenn du dich nicht erkennst, herrliche unter den Frauen ...“ Übrigens schrieb längst vorher Moses im Deuteronomium die Worte nieder: „Hab acht auf dich, o Mensch!“ „Hab acht auf dich“, so spricht das Gesetz, und der Prophet: „Wenn du dich nicht erkennst“. Zu wem spricht er dies? „Herrliche unter den Frauen“, fügt er bei. Wer anders ist die Holde unter den Frauen als die Seele, die in beiden Geschlechtern den Adel der Schönheit besitzt? Ja mit Recht: herrlich ist sie, die nicht nach dem Irdischen, sondern nach dem Himmlischen, nicht nach dem Vergänglichen, sondern nach dem Unvergänglichen verlangt, woselbst die Schönheit nicht zu schwinden pflegt. Alles Körperliche welkt ja mit den fortschreitenden Jahren oder durch eine abzehrende Krankheit dahin. Auf diese Seele hab acht, mahnt Moses; denn in ihr ruht dein ganzes Sein, in ihr der bessere Teil deines Ichs. So sagt dir denn auch der Herr, wer du bist, wenn er mahnt: „Hab acht vor den falschen Propheten!“. Diese nämlich schwächen die Seele, untergraben den Geist. Nicht Fleisch also bist du. Was ist auch das Fleisch ohne die Herrschaft der Seele, ohne die Kraft des Geistes? Heute zieht man des Fleisches Hülle an, morgen legt man sie ab. Das Fleisch ist vergänglich, die Seele unvergänglich. Das Fleisch ist das Kleid der Seele, die sich gleichsam in das Gewand des Leibes hüllt. Nicht das Kleid also bist du, sondern der Nutznießer des Kleides. Darum die Aufforderung, die an dich ergeht, „den alten Menschen mit seinem Tun auszuziehen und einen neuen anzuziehen“, der nicht äußerlich im Fleische, sondern innerlich an Geist und Erkenntnis sich verhjüngt. Nicht Fleisch, sage ich, bist du; nicht nämlich dem Fleische gilt das Wort: „Denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid S. 262 ihr“, und an einer anderen Stelle: „Ein Teempel Gottes seid ihr, und Gottes Heiliger Geist wohnt in euch“, vielmehr den Verjüngten und Gläubigen gilt es, denen der Geist Gottes dauerd einwohnt. Im Fleischlichen aber bleibt er nicht, denn geschrieben steht: „Nicht wird mein Geist in diesen Menschen bleiben, da sie Fleisch sind“.
