11.
Etwas gar Großes ist es um die Tugend der Schweigsamkeit, zumal in der Kirche. Kein Satz der göttlichen Schriftlesungen wird dir entgehen, wenn du das Ohr offen, den Mund geschlossen hältst. Kein Wort laß dem Mund entschlüpfen, das du zurücknehmen möchtest, sondern traue wenig der Zunge! Viele Sünde liegt ja in der Vielrederei1. Dem Menschenmörder ward gesagt: „Du hast gesündigt, halt dich still!“2, auf daß er nicht weiter sündigte; der Jungfrau hingegen muß gesagt werden: Halt dich still, daß du nicht sündigest! Maria bewahrte, wie wir lesen, alles, was vom Sohne gesprochen ward, in ihrem Herzen3: auch du unterbrich nicht mit Schwätzen eine Lesung, welche die Wiederkunft Christi in der Zukunft verkündet oder seine bereits erfolgte Ankunft dartut, sondern leihe ihr das geistige Ohr! Oder gäbe es etwas Unziemlicheres, als wenn die göttlichen Aussprüche im lauten Lärm ringsum untergehen, so daß sie weder Gehör noch Glauben noch inneres Verständnis finden? Als wenn die Geheimnisse von wirren Reden rings übertönt werden, so daß die im Interesse des allgemeinen Heils unternommene Ansprache hierdurch gestört wird?
