Text.
Daß du aber in deinem Schreiben, welches du an Provinzen schicken ließest, gesagt: Wir jedoch haben auf Antrieb Gottes (denn alles Gute muß auf seinen Urheber, von dem es kommt, zurückbezogen werden) Alles zur Kenntniß unserer Brüder und Mitbischöfe gebracht, haben wir so genommen, daß du mit diesen Worten Diejenigen, welche gegen Gottes Beistand die Freiheit des menschlichen Willens erheben, mit dem gezückten Schwerte der Wahrheit gleichsam im Vorbeigehen niederstrecktest. Denn was hast du mit so freiem WilIen gethan, als daß du Alles unserer Niedrigkeit zur Kenntniß brachtest? Und dennoch hast du im Glauben und in Weisheit es eingesehen, in Wahrheit S. 285 und Aufrichtigkeit es gesagt, daß es auf Gottes Antrieb geschehen sei. Deßhalb allerdings, weil der Wille vom Herrn vorbereitet wird und er (der Herr) selbst mit seinen väterlichen Einsprechungen die Herzen seiner Kinder rührt, auf daß sie etwas Gutes thun. „Denn Alle, die vom Geiste Gottes getrieben werden, sind Gottes Kinder;" 1 so daß wir weder fühlen, es fehle uns der freie WilIe, noch zweifeln, es sei bei allen einzelnen guten Regungen des menschlichen Willens Jenes (des Herrn) Beistand der Kraft nach vorherrschend. 2
Die dem Schreiben angefügten Canones der Generalsynode bezüglich der Pelagianer. 3 1. Wer sagt, Adam, der erste Mensch, sei sterblich erschaffen worden, so daß er, er mochte sündigen oder nicht, dem Leibe nach gestorben wäre d. h. vom Leibe sich getrennt hätte, nicht zum Lohn der Sünden sondern durch Naturnothwendigkeit, der sei im Banne.
2. Wer immer es entweder leugnet, daß die neugeboren Kinder getauft werden müssen oder sagt, daß sie zwar zur Vergebung der Sünden getauft werden, aber Nichts von einer von Adam herrührenden Erbsünde an sich haben, was durch das Bad der Wiedergeburt gesühnt werden müßte, so daß die Formel bei der Taufe: „zur Vergebung der Sünden„ bei ihnen nicht eigentlich, sondern nur uneigentlich zu verstehen sei, der sei im Banne. Denn nicht anders ist zu verstehen, was der Apostel sagt: 4 „Durch einen S. 286 Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod und so (der Tod) auf alle Menschen übergegangen, weil Alle in ihm gesündigt haben,“ als es die katholische allenthalben verbreitete Kirche immer verstanden hat. Dieser Glaubensregel wegen nemlich werden die Kinder, welche persönlich noch nicht sündigen konnten, deßhalb wahrhaft zur Vergebung der Sünden getauft, damit in ihnen durch die Wiedergeburt gereinigt werde, was sie durch die Geburt (Sündliches) überkommen.
3. Wenn Jemand behauptet, der Herr habe deßhalb gesagt:5 „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen,„ damit man verstehe, es werde im Himmelreich und anderwärts einen gewissen mittleren Ort geben, wo die ohne Taufe gestorbenen Kinder selig leben, da sie ohne die Taufe in das Himmelreich, d. i. das ewige Leben nicht eingehen können, der sei im Banne. Denn da der Herr sagt: 6 „Wer nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem heiligen Geiste, wird nicht eingehen in das Himmelreich,“ welcher Katholik könnte zweifeln, daß der seinen Theil mit dem Teusel habe, welcher es nicht verdiente, ein Miterbe Christi zu sein? Denn wer von der rechten Seite ausgeschlossen ist, wird ohne Zweifel auf die linke kommen.7
4. (3.) Wer sagt, die Gnade Gottes, durch welche wir gerechtfertigt werden durch Jesus Christus unsern Herrn, wirke nur die Vergebung der bereits begangenen Sünden, helfe aber nicht, die Sünden in Zukunft zu vermeiden, der sei im Banne.
5. (4.) Wer sagt, dieselbe Gnade Gottes durch Jesus S. 287 Christus unsern Herrn helfe uns nur deßhalb zum Nichtsündigen, weil uns durch sie die Kenntniß der Gebote geoffenbart und eröffnet wird, so daß wir wissen, was wir begehren und was wir meiden sollen, daß uns aber durch sie nicht gewährt werde, daß wir das erkannte Gute auch gerne thun und es zu thun vermögen, der sei im Banne. Denn da der Apostel sagt: 8 „Die Kenntniß bläht auf, die Liebe aber erbaut,„ ist es sehr gottlos, zu glauben, daß wir die Gnade Gottes zu dem haben, was aufbläht, nicht aber zu dem, was erbaut; da doch Beides ein Geschenk Gottes ist, sowohl zu wissen, was wir thun sollen, als auch es zu lieben, so daß wir es thun, damit so, weil die Liebe erbaut, die Kenntniß nicht aufblähen kann. Wie es aber von Gott heißt: 9 „Er lehret die Menschen, was sie wissen,“ so sagt auch die Schrift: 10 „Die Liebe ist aus Gott.„
6. (5.) Wer sagt, die Rechtfertigungsgnade werde uns dazu gegeben, damit wir durch sie Dasjenige leichter vollziehen können, was wir durch die Kraft des freien Willens zu thun verbunden sind, als ob wir, wenn uns auch die Gnade nicht gegeben würde, die göttlichen Gebote, zwar nicht leicht, aber dennoch auch ohne sie erfüllen könnten, der sei im Banne. Denn über die Früchte der göttlichen Gebote sprach der Herr, wo er nicht sagte: Ohne mich könnet ihr schwerer thun, sondern: 11 „Ohne mich könnet ihr Nichts thun.“
7. (6.) Wer die Worte des heil. Apostels Johannes:12 „Wenn wir sagen, daß wir ohne Sünde sind, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns,„ so verstehen zu müssen meint, daß er sagt, man dürfe um der Demuth willen nicht sagen, daß wir ohne Sünde sind, nicht weil es wirklich so ist, der sei im Banne. Denn der Apostel fährt also fort: 13 „So wir aber unsere Sünden bekannt haben, S. 288 so ist er getreu und gerecht, daß er uns unsere Sünden vergiebt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt.“ Dadurch ist es doch klar, daß Dieß nicht bloß aus Demuth, sondern auch in Wahrheit gesagt werde. Der Apostel konnte ja auch sagen: Wenn wir sagen, daß wir ohne Sünde sind, so überheben wir uns selbst, und die Demuth ist nicht in uns; da er aber sagt: Wir betrügen uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns, zeigt er deutlich genug an, daß der, welcher sagt, er sei ohne Sünde, nicht die Wahrheit rede, sondern lüge.
8. (7.) Wer sagt, die Heiligen sprechen im Gebete des Herrn die Worte:14 „Vergieb uns unsere Schulden„ deßhalb, daß sie Dieß nicht für sich selbst sagen, weil für sie diese Bitte nicht nothwendig ist, sondern wegen der anderen Sünder im Volke; deßhalb sage auch ein Heiliger nichte vergieb mir meine Schulden, sondern vergieb uns unsere Schulden, damit man erkenne, der Gerechte bitte darum vielmehr für Andere als für sich, der sei im Banne. Denn heilig und gerecht war der Apostel Jacobus, als er sagte: 15 „In vielen Dingen fehlen wir alle.“ Warum ist denn hinzugefügt: alle? wenn nicht deßhalb, damit dieser Spruch mit dem Psalme übereinstimme, wo es heißt: 16 „Geh‘ nicht ins Gericht mit deinem Knechte, weil vor deinem Angesichte kein Lebender gerechtfertigt werden wird.„ Und im Gebete des so weisen Salomon steht: 17 „Kein Mensch, der nicht sündigt;“ und im Buche Job: 18 „Der jedes Menschen Hand versiegelt, daß ein Jeder seine Schwäche kennen lerne.„ Als daher der heilige und gerechte Daniel, da er im Gebete in der Mehrzahl sprach: 19 „Wir haben gesündigt, Unrechtes gethan“ u. s. w., was er dort wahrhaft und demüthig bekennt, hat er, damit man nicht glaube (wie Manche es verstehen), er habe Dieß nicht von seinen Sünden gesagt, sondern vielmehr von denen seines Volkes, S. 289 hernach gesagt:20 „Als ich betete und meine Sünden kannte und die Sünden meines Volkes vor Gott meinem Herrn;„ er wollte nicht sagen: unsere Sünden, sondern die seines Volkes und die seinigen, weil er als Prophet voraussah, daß es Solche geben werde, welche es so verkehrt auffassen.
9. (8.) Wer sagt, die Worte des Vater Unsers: „Vergieb uns unsere Schulden“ werden von den Heiligen aus Demuth, nicht in Wahrheit gesprochen, der sei im Banne. Wer würde denn einen Solchen ertragen, der beim Beten nicht Menschen, sondern dem Herrn selbst vorlügt, der mit den Lippen sagt, es möge ihm vergeben werden, mit dem Herzen aber sagt, er habe keine Schulden, die ihm vergeben werden könnten?
Röm. 8, 14. ↩
Coelestini I. ep. 21. c. 9., prosper. lib. contra collat. c. 10. ↩
Mansi III. p. 810., IV. p. 377., Baller. Op. S. Leon. t. III. p. 165, Op. S. Aug. ed. Maur. t. X. app. p. 106, deutsch bei Fuchs, Biblioth. der Kirchenversamml.III. S. 374. ↩
Röm. 5, 12. ↩
Joh. 14, 2. ↩
Joh. 3, 5. ↩
Dieser dritte Canon wurde, da er in vielen Handsschriften und Sammlungen nicht emhalten ist, von Vielen für unecht erklärt, von den Ballerini aber (l. c. p. XCVI. sqq.) als echt erwiesen. ↩
I. Cor. 8, 1. ↩
Ps. 93, 10. ↩
I. Joh. 4, 7. ↩
Joh. 15, 5. ↩
I. Joh. 1, 8. ↩
Ebend. V. 9. ↩
Matth. 6, 12. ↩
Jac. 3, 2. ↩
Ps. 142, 2. ↩
Pred. 7, 21. ↩
37, 7. ↩
Dan. 9, 5. ↩
Dan. 9, 20. ↩
