Text.
Dem geliebtesten Bruder Cyrillus (sendet) Cölestinus (seinen Gruß).
1. Das unserer Traurigkeit durch unsern Sohn, den Diakon Possidonius, überbrachte Schreiben deiner Heiligkeit gewährte uns Freude und ertauschten wir die Freude für den Schmerz. Denn wenn wir betrachten und erwägen, was Jener sagte, der die Kirche in Constantinopel durch seine verkehrten Predigten zu verwirren wagt, so wurden wir von nicht geringem Seelenschmerze erfüllt und durch verschiedene Gedanken gepeinigt, indem wir überlegten, wie man die Standhaftigkeit im Glauben unterstützen könnte. Als wir aber unsern Sinn wieder auf das Schreiben deiner Brüderlichkeit wandten, da erblickten wir sogleich das schon bereitete Heilmittel, durch welches die pestartige Krankheit gesundheitbringender Weise entfernt werden könnte, ich meine den Erguß der reinen Quelle, welcher von dem Worte der Liebe ausfließt, durch welchen der ganze Unrath unsauberen Ausflusses aufgeräumt und Allen offenbar wird, wie sie über unseren Glauben zu denken haben. So- S. 422 wie wir also Jenen brandmarken und tadeln, so umfaßten wir deine Heiligkeit, als ob sie in den Briefen selbst zugegen wäre, in der Liebe des Herrn, indem wir sahen, daß wir ein und Dasselbe über den Herrn denken. Man darf sich auch nicht wundern, daß ein so wachsamer Priester des Herrn für den Glauben mit solcher Liebe und Macht kämpft, daß er sowohl der unsinnigen Vermessenheit der Gegner sich widersetzt, als auch die ihm Anvertrauten durch solche Ermahnungen befestigt. So bitter uns Jenes ist, so süß ist uns Dieses; so unfläthig Jenes ist, so rein ist Dieses. Wir freuen uns, in deiner Frömmigkeit eine solche Wachsamkeit wahrzunehmen, daß du schon die Beispiele der Vorgänger, welche stets Vertheidiger der wahren Lehre waren, übertroffen hast. In Wahrheit paßt auf dich das Zeugniß des Evangeliums, wo es heißt: 1 „Der gute Hirt giebt sein Leben für seine Schafe." Gleichwie aber du ein guter Hirt bist, so verdient Jener nicht einmal als böser Miethling angeklagt zu werden, weil er nicht deßhalb beschuldigt wird, daß er seine Schafe verlassen habe, sondern weil er selbst als Mörder derselben befunden ward.
2. Wir möchten, geliebtester Bruder, Einiges hinzufügen, wenn wir nicht sähen, daß deine Gesinnung in Allem mit der unsrigen übereinstimmt, und an der Bekräftigung des Glaubens dich als den tüchtigsten Vertheidiger (desselben) erprobt hätten. Es wurde uns aber Alles derr Ordnung nach von unserem Sohne, dem Diakon Possidonius vorgelegt, was deine Heiligkeit in dieser Angelegenheit geschrieben; du legtest alle Netze seiner hinterlistigen Rede bloß und befestigtest den Glauben so, daß das Herz der an Christus, unsern Gott, Glaubenden nicht auf eine andere Seite verführt werden kann. Es ist dieß ein großer Triumph unseres Glaubens, sowohl unsere (Lehren) so kräftig bewiesen, als auch die entgegengesetzten durch das Zeugniß S. 423 der göttlichen Schriften derart widerlegt zu haben. Was soll er nun weiter thun, oder wohin mag sich Jener noch wenden, der aus Neigung zu gottloser Neuerung, weil er lieber seinem eigenen Kopfe als Christo dienen wollte, das ihm anvertraute Volk durch das Gift seiner Lehre in das Verderben zu führen suchte? Er hätte doch erkennen und daran sich halten sollen, daß man unnütze Fragen und solche, welche nicht zum Heile dienen, sondern zum Verderben der Seelen führen, vielmehr fliehen als untersuchen soll.2
3. Doch müssen wir ihn, da er dem Abgrunde zueilt oder vielmehr schon am Abgrunde steht, von dem er herabstürzen muß, wenn möglich zurückrufen, damit wir nicht, wenn wir ihn hilflos lassen, seinen Fall beschleunigen. Christus, unser Gott, von dessen Geburt die Rede ist, lehrte uns ja, 3 um eines Schafes willen uns zu bemühen, indem er will, daß es auf seinen Schultern zurückgebracht werde, damit es nicht dem Wolfe zur Beute preisgegeben sei. Der uns also lehrte, für die Rettung eines Schafes so zu laufen, um wie viel mehr will er, daß wir uns für das Heil des Hirten der Schafe bemühen, welcher seinen Namen und sein Amt vergessend sich selbst in einen reissenden Wolf verwandelt und die Heerde zu verderben sucht, welche er bewachen sollte. Wir müssen ihn also aus dem Schafstalle entfernen, wenn wir ihn nicht, wie wir wollen, verbessern können. Bessert er sich, so sei ihm Hoffnung auf Verzeihung (gewährt); denn wir wollen, daß er sich bekehre und lebe, wenn er nicht selbst das Leben der ihm Anvertrauten vernichtet. Ist er aber hartnäckig, so soll eine offene Erklärung gegen ihn ergehen. Denn eine solche Wunde muß ausgeschnitten werden, durch welche nicht ein Glied verletzt, sondern der ganze Körper der Kirche durchfressen wird. Denn was wird er mit Denen, S. 424 welche mit einander übereinstimmen, machen, da er allein auf seine Erkenntniß bauend, von unserem Glauben abweicht? Daher sollen in der Gemeinschaft bleiben, welche er als seine Widersacher von der Gemeinschaft entfernte, er aber möge wissen, daß er selbst unsere Gemeinschaft nicht haben kann, wenn er auf diesem verkehrten Wege im Widerspruche mit der apostolischen Lehre verharrt.
4. Indem wir also dir die Auctorität unseres Stuhles mittheilen, sollst du an unserer Statt dieses Urtheil mit entschiedenem Ernste vollstrecken, daß er entweder binnen zehn Tagen von dem Tage dieser Ermahnung an seine bösen Lehren durch ein schriftliches Bekenntniß verdamme und bestätige, daß er über die Geburt Christi unseres Gottes denselben Glauben festhalte, welchen die römische Kirche und die deiner Heiligkeit und die allgemeine Frömmigkeit festhält, oder, wenn er Dieß nicht thut, deine Heiligkeit sogleich für jene Kirche sorge, ihn aber wissen lasse, daß er gänzlich von unserem Körper ausgeschieden werden müsse, der nicht einmal die pflegende Hand der ihn Heilenden annehmen wollte und sowohl in sein Verderben als in das aller ihm Anvertrauten wie ein böser Pesthauch stürzte.
5. Dasselbe aber schrieben wir auch an unsere heil. Brüder und Mitbischöfe Johannes,4 Rufus,5 Juvenalis6 und Flavianus,7 damit ihnen unser Urtheil über ihn oder vielmehr das göttliche unseres Christus bekannt sei. Gegeben am 11. August unter dem 13. Consulate des Theodosius und dem 3. des Valentinianus. S. 425
Joh. 10, 11. ↩
Tit. 3, 9. ↩
Luk. 15, 5. ↩
Bisch. v. Antiochien. ↩
Der oft genannte Bischof von Thessalonich. ↩
Bisch. v. Jerusalem. ↩
Bisch. v. Philippi in Macedonien. Dem Ansuchen des Cyrillus entsprechend richtete aIso der Papst seine Schreiben an die hervorragendsten Bischöfen des Orients und Macedoniens (Rufus und Flavianus). ↩
