Text.
Dem heiligsten und hochwürdigsten Mitdiener Cölestinus (sendet) die heilige Synode, welche nach Gottes Gnade in der Metropole der Ephesier versammelt ist, Gruß im Herrn.
1. Der Eifer deiner Heiligkeit für die Frömmigkeit und deine Gott angenehme und wohlgefällige Sorge für den rechten Glauben an den Erlöser von uns allen war aller Bewunderung würdig; denn es ist bei euch Gewohnheit, daß ihr bei so wichtigen Ereignissen euch stets bewährt und allen Eifer der Kirchen zu euerem eigenen machet.1 S. 468 Weil es aber nothwendig war, daß Alles, was sich ergab, deiner Heiligkeit berichtet werde, so schreiben wir nothgedrungen, weil wir nach dem Willen Christi, des Erlösers von uns allen, und nach den Anordnungen der gottseligsten und Christus liebenden Kaiser in der Metropole der Ephesier aus vielen und verschiedenen Provinzen versammelt sind, über 200 an der Zahl. Als wir hernach, gemäß dem Berufungsschreiben der Christus liebenden Kaiser, welches für die Sitzung der heiligen Synode den heiligen Psingsttag bestimmte, alle zusammen kamen, besonders da es in dem kaiserlichen Schreiben hieß, daß, wer zum festgesetzten Termine nicht gekommen sei, nicht mit gutem Gewissen abwesend und sowohl vor Gott als auch vor den Menschen unentschuldbar sei, da fehlte der hochwürdigste Bischof Johannes von Antiochien, und zwar nicht mit einfältigem Willen, sondern, da ihm auch die Entfernung des Weges kein Hinderniß bereitete, weil er einen Gott mißfälligen Plan und Gedanken heimlich hegte, welchen er, als er bald darauf in Ephesus ankam, offenbarte. Wir verschoben also das Concil ganze 16 Tage nach dem festgesetzten Pfingstfeste, obwohl viele Bischöfe und Kleriker sowohl erkrankten als auch sich durch die Auslagen erschöpft hatten, einige aber sogar gestorben waren; es war also, wie deine Heiligkeit sieht, eine große Beleidigung gegen die Synode, so zu handeln. Er zögerte nemlich in böser Absicht so lange, da Viele aus noch weiterer Entfernung vor ihm angekommen waren. Nach dem 16. Tage aber kamen von den Bischöfen, welche ihn begleiteten, zwei Metropoliten (vor ihm) voraus, Alexander von Apamea und ein anderer Alexander von Hierapolis. Als wir ihnen hierauf wegen der Verzögerung der Ankunft des hochwürdigsten Bischofs Johannes Vorwürfe machten, erklärten sie nicht einmal, sondern öfter, er trug uns auf, euerer Ehrwürdigkeit zu melden, falls er noch länger zögern müßte, solle die Synode nicht verschoben werden, sondern man solle thun, was zu thun sei. Auf diese Nachricht und weil es nun sowohl nach der (absichtlichen) Verzögerung als nach dem von ihm Gemeldeten S. 469 offenbar war, daß er die Synode zurückweise, sei es nun aus Freundschaft für Nestorius oder weil Dieser ein Kleriker seiner Kirche war, oder weil er den Bitten Einiger für ihn willfahrte, trat die heilige Synode zu Ephesus in der größeren Kirche, welche den Namen Mariens trug, zusammen.
2. Da aber, während Alle bereitwillig zusammenkamen, Nestorius allein sich vom Concil fernhielt, ermahnte ihn die heilige Synode gesetzmäßig durch eine dreimalige Aufforderung. Jener aber umschloß sein Haus mit Soldaten, trotzte hochmüthig den kirchlichen Gesetzen und ließ sich nicht herbei, zu erscheinen und über seine schändlichen Gotteslästerungen Rechenschaft zu geben. Hierauf wurden die Schreiben verlesen, welche von dem heiligsten und hochwürdigsten Bischof von Alexandrien, Cyrillus, an ihn gerichtet worden, welche die heilige Synode als richtig und tadellos bestätigte, sowie als durchaus übereinstimmend mit den göttlich inspirirten Schriften und mit dem auf der großen Synode der einst zu Nicäa versammelten Väter überlieferten und erklärten Glauben, gleichwie Dieß deine Heiligkeit bestätigte und bezeugte. Nachdem aber auch der Brief des Nestorius an unseren genannten heiligsten und hochwürdigsten Mitdiener Cyrillus verlesen worden, erklärte die heilige Synode, daß die darin enthaltenen Lehren vom apostolischen und evangelischen Glauben völlig abweichend und durch viele und neue Gotteslästerungen entstellt sind. Nachdem aber gleichfalls seine gottlosen Erklärungen verlesen worden, sowie auch das von deiner Heiligkeit an ihn gerichtete Schreiben, in welchem er mit Recht verurtheilt wurde, weil er Gotteslästerliches geschrieben und in seinen Erklärungen gottlose Worte vorbrachte, wurde die gerechte Strafe seiner Absetzung ausgesprochen, besonders da er soweit von der Buße und dem Widerrufe der von ihm noch als Bischof von Constantinopel vorgebrachten Gotteslästerungen ist, daß er sogar auch in der Metropole der Ephesier an einige Metropolitanbischöfe, nicht ungebildete, sondern gelehrte S. 470 und verehrungswürdigste Männer, eine Rede hielt und zu sagen wagte: 2 Ich bekenne nicht den zwei oder drei Monate alten Gott, und noch viel Ärgeres redete.
3. So also haben wir die gottlose und verabscheuungswürdige Häresie als eine solche, welche unsere heiligste Religion zerstört und das Geheimniß der Menschwerdung völlig aufhebt,3 verurtheilt, wie wir oben sagten. Da wir aber eine wahre Liebe zu Christus und Eifer für den Herrn hatten, mußten wir, wie es scheint, auf nicht wenige Schwierigkeiten stoßen. Denn wir hofften, der hochwürdigste Bischof Johannes von Antiochien werden die Gründlichkeit4 und Frömmigkeit der Synode beloben und vielleicht tadeln, daß man mit der Absetzung so lange gezögert habe; allein es geschah das Gegentheil von dem, was wir hofften. Denn er erwies sich als ein Feind und Gegner sowohl der heiligen Synode als auch des rechten kirchlichen Glaubens selbst, wie es die Thatsachen selbst darthun. Denn kaum hatte er Ephesus betreten, so versammelte er, bevor er noch den Reisestaub abgeschüttelt und die Reisekleider abgelegt hatte, Einige, S. 471 welche mit Nestorius zurückgeblieben waren und Gotteslästerungen gegen ihr Haupt redeten, indem sie nur von Spott über die Herrlichkeit Christi sich enthielten; da er nun eine Gesellschaft von etwa dreissig Menschen versammelte, welche dem Namen nach Bischöfe waren, von denen jedoch die einen ohne Städte5 sind, ohne Sitz und Kirche, die andern aber vor vielen Jahren von ihren Metropoliten abgesetzt wurden, mit ihnen aber auch die Pelagianer und Cälestianer und von diesen Einige aus Thessalien6 vertrieben wurden, begieng er einen Frevel, wie ihn vor ihn Keiner je wagte. Denn er verfertigte auch allein7 eine Absetzungsurkunde, freilich nur dem Namen nach,8 und schmähte den heiligsten und hochwürdigsten Bischof Cyrillus von Alexandrien und unseren hochwürdigsten Mitbischof Memnon von Ephesus, ohne daß Einer von den Unsrigen, auch nicht einmal Die, welche das Unrecht erlitten, von den Verhandlungen Etwas wußte oder weßhalb Jene Dieß gewagt hatten. Ja, als ob Gott ihrer nicht zürnte, gleichsam als gäbe es keine Canones, oder als ob sie selbst wegen ihrer Vermessenheit keine Gefahr liefen, beschimpfen sie die ganze Synode, indem sie über sie die Excommnnication aussprechen. Hierauf veröffentlichten sie Dieß auf einem Zettel und zeigten es Allen, welche es lesen wollten, ja auf die Wände der Theater schlugen sie es an, um ihre Gottlosigkeit selbst zu einem Schauspiel zu machen. Hiemit jedoch begnügte sich ihre Kühnheit noch nicht, sondern sie wagten es noch, als ob sie gesetzmäßig vorgegangen wären, S. 472 hierüber an die gottseligsten und Christus liebenden Kaiser zu berichten.
4. Nachdem Dieß geschehen, überreichten der heiligste und hochwürdigste Bischof Cyrillus von Alexandrien wie auch der hochwürdigste Bischof Memnon von Ephesus von ihnen verfaßte Klageschriften, in welchen sie sowohl den hochwürdigsten Bischof Johannes als auch Diejenigen, welche mit ihm Dieß gethan hatten, anklagten, und beschworen unsere heilige Synode, daß sie den Johannes und seine Anhänger gesetzmäßig auffordern möge, daß sie über ihre Anmaßungen Genugthuung leisten, wenn sie aber eine Klage hätten, sie vorbringen und beweisen sollten. Denn auf dem von ihnen geschriebenen Absetzungs- oder vielmehr Schmähzettel gaben sie als Grund an: Weil es Apollinaristen und Arianer und Eunomianer sind, deßhalb wurden sie von uns abgesetzt. Auf die Bitten der von Jenen Beleidigten mußten wir uns abermals in der großen Kirche versammeln, über 200 Bischöfe; wir forderten zwei Tage in dreimaliger Berufung den Johannes und seine Anhänger vor das Concil, um die Beleidigten zu überführen und Genugthuung zu leisten und sich über die Gründe zu verantworten, weßhalb sie die Absetzung ausgefertigt hätten; er9 aber wagte es nicht zu erscheinen. Er sollte aber, wenn er wirklich beweisen konnte, daß die genannten heiligsten Männer Häretiker seien, kommen und beweisen, daß das wahr sei, auf was hin, weil er es für ein ausgemachtes und unbezweifeltes Verbrechen hinnahm, er die verwegene Sentenz gegen sie aus sprach. Weil jedoch sein Gewissen nicht Stand hielt, kam er nicht. Was aber (hiemit) beabsichtigt wurde, war Folgendes. Er meinte nemlich, es werde, wenn diese sinnlose und ungerechte Beleidigung aufgehoben wird, ebenso auch das gerechte Urtheil der Synode gegen den Häretiker Nestorius aufgehoben werden. Hierüber also S. 473 mit Recht ungehalten verabredeten wir, das gerechte Urtheil über Jenen wie über die Anderen gesetzmäßig auszusprechen, welches er im Widerspruche mit den Gesetzen über Jene verhängte, welche durchaus tadellos sind; damit aber (unsere) Geduld seine Verwegenheit übertreffe, behielten wir Dieß dem Urtheile deiner Ehrwürdigkeit vor. Indessen schloßen wir sie von der Gemeinschaft aus, indem wirihnen alle bischöfliche Macht nahmen, damit sie Niemand durch ihre Urtheile schaden können. Denn wie sollten wir ihnen, da sie mit solchem Ungestüm, solcher Grausamkeit und Gesetzesverachtung sich auf das Schlechteste und Ärgste stürzten, nicht die Macht zu schaden nehmen, die sie (ohnedieß) nicht besaßen?
5. Mit unseren Brüdern und Mitdienern Cyrillus und Memnon, welche von Jenen Unbilden erduldeten, halten wir demnach alle Gemeinschaft und verrichteten auch nach der Vermessenheit10 Jener mit ihnen den heiligen Dienst und verrichten ihn (noch immer), indem wir alle mit ihnen die heiligen Geheimnisse feiern; das frevelhafte Spiel aber, welches Jene mit ihrer Schrift sich erlaubten, vereitelten wir und zeigten dessen Ungiltigkeit und Erfolglosigkeit; denn es war nur ein Unrecht und sonst Nichts. Denn dreissig Männer, von denen die einen erklärte Häretiker,11 die andern aber ohne Städte oder aus ihnen vertrieben sind, wie können sie eine Synode vorstellen oder welche Macht haben einer Synode gegenüber, welche sich von der ganzen Erde, die unterm Himmel ist, versammelte? Es saßen ja mit uns auch die von deiner Heiligkeit gesandten hochwürdigsten Bischöfe Arcadius und Projectus und mit ihnen der heiligste Priester Philippus, welche uns durch ihre Person deine Gegenwart schenkten und den Platz des apostolischen Stuhles ausfüllten. Deine Ehrwürdigkeit mag daher über das Geschehene billig zürnen. Denn hätte S. 474 man ihnen nach ihrem Willen die Freiheit gelassen, erhabenere Stühle mit Unbilden zu überhäufen und gegen Jene, über welche ihnen keine Gewalt zusteht, den Gesetzen und Canones zuwider Urtheile auszusprechen oder vielmehr Ungerechtigkeiten, auch gegen Jene, welche um der Frömmigkeit willen so viele Kämpfe überstanden haben, durch welche die Frömmigkeit auch jetzt in den Gebeten euerer Ehrwürdigkeit glänzt, so würden die kirchlichen Angelegenheiten der äussersten Verwirrung anheim fallen. Nachdem aber Die, welche Solches wagten, in geziemender Weise gestraft wurden, wird alle Verwirrung aufhören und die den Canonen gebührende Verehrung von Allen bewahrt werden.
6. Nachdem aber auf der heiligen Synode auch die Acten über die Verhandlungen in Betreff der Absetzung der gottlosen Pelagianer und Cälestianer, des Cälestius, Pelagius, Julianus, Präsidius, Florus, Marcellianus, Orontius und der Gleichgesinnten, verlesen wurden, erklären auch wir, daß, was von deiner Ehrwürdigkeit12 festgesetzt wurde, in Kraft und Geltung bleibe, und stimmen wir alle darin überein, daß wir sie für abgesetzt halten. Damit du aber Alles, was verhandelt wurde, vollständig erfahrest, übersendeten wir die Acten und die Unterschriften der Synode.13 Wir wünschen, daß du dich wohl befindest und unser im Herrn eingedenk seiest, Geliebtester und Theuerster! Es unterschrieben hierauf alle Bischöfe namentlich.14 S. 475
Nach dem Griech. wörtlich: und die Befestigung der Kirchen (im Glauben zum Gegenstande) eueres Eifers machet. ↩
Als schon Nestorius mit seinen 16 Bischöfen, Cyrillus mit 50 Bischöfen, Juvenal von Jerusalem und Flavian von Thessalonich mit ihren Bischöfen in Ephesus angekommen waren, Erzbischof Memnon von Ephesus aber 40 von seinen Suffraaganen und 12 Bischöfe aus Pamphylien um sich versammelt hatte und man die Ankunft der andern erwartete, wurde schon vorbereitend viel über die Streitfragge gesprochen, und namentlich suchte Cyrillus den Nestorius durch scharfsinnige Argumente in die Enge zu treiben, bei welcher sich Nestorius zu obiger Aeusserung hinreissen ließ. ↩
Durch die Behauptung, daß Gott in Christus nicht anders gewesen sei als in den Propheten. ↩
Die Behauptung Coustants, daß statt subtilitas, welches die Handschriften haben, sedulitas zu setzen sei, weil das griechische Wort ἀκρίβεια es so fordert, ist wohl nicht treffend, abgesehen davon, daß sedulitas und das folgende tarditas sich widersprechen würden. ↩
Weil sie, wie die Synode es selbst sogleich erklärt, entweder in ihren Gemeinden nicht zugelassen oder wieder vertrieben waren. ↩
Hefele (II. S. 205 Note 1) will Italien statt Thessalien lesen. ↩
Die Absetzungsschrift gegen Cyrillus verfaßte Nestorius allein, publicirte sie jedoch im Namen der ganzen Aftersynode. ↩
In Wirklichkeit war sie ja ungiltig. ↩
Johannes ↩
═ trotz. ↩
Pelagianer und Cälestianer nemlich. ↩
Damit ist wohl nur gemeint, was Cölestinus im 13. Briefe an Nestorius (n. 8) sagt, da uns neuerliche Erklärungen des Papstes gegen die Pelagianer nicht bekannt sind. ↩
So übersetzt nach dem Griechischen: ἀπεστείλαμεν καὶ τὰ ὑπομνήματα καὶ τὰς ὑπογραφὰς τῆς συνόδου; im Latein. steht jedenfalls corrumpirt: destinavimus gesta. Et subscriptio. ↩
Diesen Satz hat bloß der latein. Text. ↩
