4. Kap. Was inbetreff des Gesetzes und der Beschneidung gesagt ist, gilt auch von der Sabbatfeier.
Da gezeigt worden ist, daß die Abschaffung der fleischlichen Beschneidung und des alten Gesetzes zu ihrer Zeit stattgefunden hat, so muß nun der Nachweis folgen, daß auch die Beobachtung des Sabbats nur eine zeitweilige Einrichtung gewesen ist. Die Juden lehren nämlich, Gott habe von Anfang an den siebenten Tag geheiligt, indem er von seinen Werken ausruhte, die er gemacht hatte, und auf Grund dessen habe Moses zum Volke gesagt: „Gedenket des Tages des Sabbats, auf daß ihr ihn heiliget, jedes knechtliche Werk sollt ihr an demselben unterlassen“1, ausgenommen was zur Lebensnotdurft gehört. Dadurch sind wir zu der Erkenntnis gelangt, daß wir uns vielmehr immer von jeglichem knechtlichen Werke enthalten müssen, nicht bloß am siebenten Tage, sondern allezeit. Und darum müssen wir untersuchen, was für einen Sabbat Gott von uns beobachtet wissen will. Die Hl. Schrift verkündet uns nämlich einen ewigen und einen zeitlichen Sabbat. Denn der Prophet Isaias sagt: „Meiner Seele sind eure Sabbate zuwider“2 und an einer ändern Stelle: „Ihr habt meine Sabbate entheiligt“3. Daraus ersehen wir, daß der zeitweilige Sabbat ein bloß menschlicher, der ewige dagegen göttlich sei, von welch letzterem Isaias sagt: „Es wird geschehen Monat auf Monat und Tag auf Tag und Sabbat auf Sabbat, und es wird alles Fleisch kommen, um anzubeten in Jerusalem, spricht der Herr“4. Wir finden dieses erfüllt in den Zeiten Christi, als alles S. 311Fleisch, d. h. alles Volk, nach Jerusalem kam, um Gott den Vater durch seinen Sohn, Jesum Christum, anzubeten, wie durch den Propheten vorhergesagt worden war: „Siehe, Proselyten werden um meinetwillen zu Dir kommen“5. So war also vor diesem zeitlichen Sabbat auch schon der ewige vorher angezeigt und vorher verkündet, wie auch die geistige Beschneidung schon vor der leiblichen angezeigt war.
Man sollte uns endlich, wie schon gesagt, dessen überzeugen, daß Adam den Sabbat gehalten, Abel, der Gott ein heiliges Opfer darbrachte, wegen der Beobachtung des Sabbats sein Wohlgefallen besessen, Noe, der wegen der ungeheuren Überschwemmung die Arche erbaute, den Sabbat gehalten, Abraham mit Beobachtung des Sabbats seinen Sohn Isaak dargebracht, Melchisedech in seinem Priestertum das Gesetz des Sabbats empfangen habe. Aber, werden die Juden sagen, seitdem diese Vorschrift durch Moses gegeben ist, muß sie beobachtet werden. - Nun ist aber klar, daß eine Vorschrift, die einmal aufhören sollte, weder ewig noch pneumatisch, sondern nur zeitweilig war. Daher besteht also die betreffende Feier so wenig im Nichtstun am Sabbat, d. h. am siebenten Tage, daß Jesus Nave zur Zeit, als er die Stadt Jericho bekriegte, es als eine ihm von Gott erteilte Vorschrift ausgab und dem Volke befahl, daß die Priester die Bundeslade Gottes sieben Tage lang um die Stadt herumtrügen. Dann würden nach Ablauf des siebenten Tages die Stadtmauern von selbst einstürzen. Dies geschah denn auch, und als der Lauf des siebenten Tages beendet war, stürzten, wie vorhergesagt, die Stadtmauern ein. Daraus geht klar hervor, daß zwischen diese sieben Tage auch ein Sabbat einfiel. Denn sieben Tage müssen, von wo an auch ihr Anfang gerechnet wird, notwendig einen Sabbat einschließen. An demselben arbeiteten dann die Priester nicht bloß, sondern es wurde auch die Stadt mit der Schärfe des Schwertes zur Beute gemacht vom ganzen Volke Israel. Es ist kein Zweifel, daß, wenn sie nach der Vorschrift Gottes Kriegsbeute machten, sie damit S. 312eine knechtliche Arbeit vornahmen. Auch in den Zeiten der Makkabäer kämpfte Israel am Sabbat und verrichtete Werke der Tapferkeit, besiegte die fremdländischen Feinde und brachte durch sein Kämpfen am Sabbat das Gesetz der Väter wieder auf seinen früheren Stand. Ich kann mir nicht denken, daß sie ein anderes Gesetz verteidigt haben sollten als das, welches, wie sie wußten, die Vorschrift des Sabbattages enthielt. Daraus ist klar, daß Vorschriften dieser Art nur für einige Zeit und für das Bedürfnis der vorliegenden Ursache gegolten haben, und daß Gott ein solches Gesetz nicht zur Beobachtung für ewige Zeiten gegeben habe.
