Kap. 6. Auch der Zöllner im Tempel kann uns im Gegensatz zu dem selbstgefälligen Pharisäer beim Gebet als Vorbild dienen.
Wer aber anbetet, geliebteste Brüder, der möge auch das nicht übersehen, wie im Tempel neben dem Pharisäer der Zöllner betete. Nicht mit dreist zum Himmel erhobenen Augen, nicht mit keck empor gestreckten Armen flehte er die Hilfe der göttlichen Barmherzigkeit an, sondern indem er an seine Brust schlug und die in seinem Innern verschlossenen Sünden offen bekannte. Und während der Pharisäer sich selbst gefiel, verdiente er, der also flehte, viel eher geheiligt zu werden; denn er setzte die Hoffnung des Heils nicht in das Vertrauen auf seine Unschuld, da ja kein Mensch unschuldig ist, sondern er gestand seine Sünden ein und betete voll Demut. Und er, der den Demütigen verzeiht, erhörte auch sein Gebet. Dies berichtet der Herr in seinem Evangelium und sagt: „Zwei Menschen stiegen hinauf in den Tempel um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Als der Pharisäer hingetreten war, betete er bei sich also: 'Gott, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Ungerechte, Räuber Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner da. Ich faste zweimal am Sabbat, den Zehnten gebe ich von allem, was ich besitze.' Der Zöllner aber stand von S. 171 ferne und hob nicht einmal seine Augen zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sagte: ,Gott sei mir Sünder gnädig!' Ich sage euch, dieser stieg besser gerechtfertigt in sein Haus hinab als jener Pharisäer; denn jeder, der sich erhebt, wird erniedrigt werden, und wer sich erniedrigt, wird erhöhet werden"1 .
Luk. 18, 10—14. ↩
