Erster Artikel. Christus ist nicht nur Einer, sondern auch Eines und nicht zwei.
a) Dem steht entgegen: I. Augustin (1. de Trin. 7.) schreibt: „Weil die Natur (Form) Gottes angenommen hat die Natur des Knechtes; so ist Beides Gott wegen Gottes, der annimmt; Beides Mensch wegen des Menschen, der angenommen wird.“ „Beides“ aber wird nicht gesagt, wo nicht zwei sind. II. Wo „Anderes“ und „Anderes“ ist, da sind zwei. Augustin aber schreibt (Enchir. 35.): „Da Er in der Natur Gottes war, nahm Er die Knechtsgestalt an, Beides Er der Eine; aber etwas Anderes ist Er wegen des „Wortes“, und etwas Anderes wegen des Menschen.“ Also ist Christus zwei. III. Christus ist nicht rein Mensch, sondern noch etwas Anderes. Also ist in Ihm „Anderes“ und „Anderes“ und somit ist Er zwei. IV. Christus ist etwas, was der Vater ist; und etwas, was nicht der Vater ist. Also dasselbe. V. Wie im Geheimnisse der Dreieinigkeit drei Personen in einer Natur sind, so im Geheimnisse der Menschwerdung zwei Naturen in einer Person. Aber wegen der Einheit der Natur sind trotz des Unterschiedes in der Person Vater und Sohn Eines, nach Joh. 10.: „Ich und der Vater wir sind Eins.“ Also trotz der Einheit in der Person ist Christus wegen der zwei Naturen zwei. VI. Nach 3 Physic. werden Eines und Zwei ausgesagt gemäß den Formen. In Christo aber sind zwei Naturen. VII. Wie die zum Wesen hinzutretende Eigenschaft ein Ändern verursacht mit Rücksicht auf die frühere Beschaffenheit; so macht die substantiale Wesensform ein schlechthin Anderes der Substanz nach. In Christo aber sind zwei substantiale Wesensformen: die menschliche und die göttliche. Also ist in Christo ein „Anderes“ und ein „Anderes“, und somit eine Zweiheit. Auf der anderen Seite sagt Boëtius (de duab. naturis): „Alles was ist, das ist soweit es ist, Eines.“ Wir bekennen aber, daß Christus sei. Also ist Er Einheit.
b) Ich antworte, die Natur an sich, im allgemeinen oder als vom Einzelnen losgelöst betrachtet, könne nicht ausgesagt werden von der Person außer in Gott, wo Natur und Existenz zusammenfällt (I. Kap. 3.). In Christo nun ist 1. die göttliche Natur; und diese kann von Christo ausgesagt werden sowohl nach der abstrakten Form als allgemeine dastehend, wie nach der konkreten Form als einzelnes Sein aufgefaßt. Christus als Sohn Gottes ist die Gottheit, d. h. die göttliche Natur, und Er ist Gott. Mit der menschlichen Natur aber 2. ist dies nicht der Fall. Sie kann von Christo nur ausgesagt werden als von einem Fürsichbestehenden, nämlich in concreto. Man kann nicht sagen: Christus ist die menschliche Natur, denn die menschliche Natur ist ihrem Wesen nach nicht geeignet, von dem Einzelnen, worin sie fürsichbesteht, ausgesagt zu werden, nämlich von ihrem suppositum. Es wird aber gesagt ebenso: Christus ist Mensch, wie: Christus ist Gott. Gott bezeichnet jenen, der die Gottheit hat; Mensch einen, der die menschliche Natur hat. Anders jedoch wird jener, der die menschliche Natur hat, gekennzeichnet durch dieses Wort „Mensch“ und anders durch dieses Wort „Jesus“ oder „Petrus“. Denn dieses Wort „Mensch“ schließt in unbestimmter Weise einen in sich, der die menschliche Natur hat, wie dieser Name „Gott“ in unbestimmter Weise deutet auf einen, der die Gottheit hat. Der Name „Petrus“ aber oder „Jesus“ weist in bestimmter Weise hin auf jenen, der die menschliche Natur hat, nämlich unter den genauesten Einzelbedingungen; sowie der Name „Sohn Gottes“ in bestimmter Weise auf eine Person hinweist, welche die Gottheit hat unter der genau bestimmten persönlichen Eigenheit. Die Zweiheit nun bezeichnet in Christo die zwei Naturen. Würden also beide Naturen in allgemeiner abstrakter Weise von Christo ausgesagt, so daß Christus die menschliche Natur, die humanitas, wäre und die göttliche Natur; so würde folgen, daß Christus zwei, daß Er eine Zweiheit wäre. Weil aber die zwei Naturen von Christo nicht ausgesagt werden, außer insoweit sie in der Person sind und gemäß dem Charakter der Person, so muß gemäß diesem Charakter von Christo ausgesagt werden, ob Er eine Einheit sei oder eine Zweiheit; Eines oder Zweierlei. Manche nun nahmen in Christo zwei Fürsichbestehende, zwei supposita an, die nach ihrer Ansicht in der einen Person sich wie ineiner vervollständigenden Einheit verbanden. Und deshalb, weil da zwei Fürsichbestehen waren, sagten sie, Christus sei Zweierlei im Neutrum; aber wegen der einen Person sei Er Einer im Maskulinum. Denn das Geschlecht des Neutrum bezeichnet etwas noch Ungeformtes, Unfertiges; das Maskulinum aber etwas Geformtes und Fertiges. Die Nestorianer aber, welche in Christo zwei Personen annahmen, sagten, Christus sei zwei im Maskulinum und zweierlei im Neutrum. Wir aber nehmen in Christo nur ein Fürsichbestehen, ein suppositum, und eine Person an; woraus folgt, daß Christus Einer ist im Maskulinum und Eines im Neutrum.
c) I. Das „Beides“ bei Augustin hält sich auf seiten des Subjektes, nicht auf seiten des Prädikates; und wird gesetzt nicht für zwei Fürsichbestehende, sondern für die beiden Namen, welche die zwei Naturen in der einen Person Christi, also konkret, bezeichnen. Beides nämlich: Gott und Mensch, ist Gott wegen Gottes, der annimmt; — und Beides: Gott und Mensch, ist Mensch wegen des angenommenen Menschen. II. Wenn gesagt wird: „Anderes und Anderes“, so ist der Sinn: „Habend oder Besitzend eine andere und eine andere Natur.“ Und in dieser Weise erklärt es Augustin (contra Felicianum c. 11.): „Im Mittler zwischen Gott und den Menschen ist ein Anderes: Gottes Sohn; ein Anderes: des Menschen Sohn. Anderes, sage ich, um die Naturen zu unterscheiden; nicht Anderes, wenn die Einheit der Person in Betracht kommt.“ Deshalb schreibt Gregor von Nazianz an Cledonius (ep. 1.): „Sollen wir es kurz sagen: Ein Anderes und ein Anderes ist das, woraus der Heiland besteht; insofern nicht miteinander zusammenfällt das Sichtbare mit dem Unsichtbaren, das Zeitlose mit dem der Zeit Unterworfenen; Beides aber ist Eines und nicht ein anderer und ein anderer.“ III. „Christus ist nur Mensch“. Dieser Satz ist falsch, weil er nicht eine andere Person oder ein anderes Fürsichbestehen ausschließt, sondern eine andere Natur; denn „nur Mensch“ steht hier als Prädikat und somit formaliter, in bestimmender Weise für die Natur. Würde aber etwas hinzugefügt, wodurch dieses „nur“ zum Subjekte oder suppositum und nicht zur Natur gezogen würde; wie z. B. Christus ist nur (d. h. ganz, als ob Er nichts Anderes wäre) das, was da ist: Mensch, so wäre die Redeweise richtig. Es folgt jedoch daraus nicht, daß Er etwas Anderes sei wie Mensch; dieses „Anderes“ nämlich, da es sich hier auf die Verschiedenheit in der Substanz bezieht, tritt da zum Subjekt oder suppositum hinzu wie alle Beziehungsworte, welche eine persönliche Beziehung herstellen. Es folgt daraus aber: Also hat Er eine andere Natur. IV. Dieses „etwas“ hält sich auf seiten der göttlichen Natur, wenn es heißt: Christus ist etwas, was der Vater ist; denn die göttliche Natur wird auch im allgemeinen als abstrakte, als Gottheit, vom Vater und Sohne ausgesagt. Wird aber gesagt: Christus ist etwas, was nicht der Vater ist, so hält sich dieses „etwas“ nicht auf seiten der menschlichen Natur selbst, soweit sie im allgemeinen, in abstracto, ausgesagt, sondern soweit sie als einzelne, in concreto, betrachtet wird; nicht zwar gemäß einer bestimmten Person bereits, aber gemäß einer unbestimmt gelassenen Person, insofern nämlich die Person Träger ist der Natur und noch nicht der Einzelverhältnisse von Zeit und Ort. Also folgt nicht, daß Christus ein Anderes sei und ein Anderes, oder daß Er zweierlei sei; denn das Fürsichbestehen der menschlichen Natur in Christo, was da die Person desSohnes Gottes ist, verursacht keine Verschiedenheit in der Zahl, zusammengestellt mit der göttlichen Natur, wie sie im Vater und Sohn ist. V. Im Geheimnisse der heiligen Dreieinigkeit wird die göttliche Natur als abstrakte, vom Einzelnen losgelöste, als Gottheit, also gleichermaßen von den drei Personen ausgesagt; und deshalb kann schlechthin gesagt werden, die drei Personen seien Eines. Im Geheimnisse der Menschwerdung aber werden nicht beide Naturen als abstrakte, vom Einzelnen losgelöste, von Christo ausgesagt; denn Christus ist nicht die menschliche Natur. Also kann man nicht schlechthin sagen, Christus sei zweierlei oder Zweiheit. VI. „Zwei“ wird gesagt für gewissermaßen einen, der die Zweiheit hat; nicht zwar in einem anderen, sondern in eben dem, wovon das „Zwei“ ausgesagt wird. Nun wird hier vom Fürsichbestehenden, vom suppositum, ausgesagt, welches dieser Name „Christus“ bezeichnet. Obgleich also Christus die Zweiheit der Naturen hat; weil Er aber Zweiheit im Fürsichbestehen oder in der Person nicht hat, kann man nicht sagen, Christus sei zwei. VII. Das „Geändertsein“ (alterum) will sagen eine Verschiedenheit in der Eigenschaft. Um also dies schlechthin auszusagen, genügt die Verschiedenheit in der Eigenschaft. „Anderes“ (aliud) aber will sagen eine Verschiedenheit in der Substanz, worin nicht nur die Natur, sondern auch das selbständige Fürsichbestehen eingeschlossen ist (5 Metaph.). Die Verschiedenheit allein in der Natur also genügt nicht, um schlechthin hier eine Zweiheit zu begründen. Die Verschiedenheit der Natur ohne die Verschiedenheit in der Person oder im Fürsichbestehen macht da nur etwas Verschiedenes nach einer gewissen Seite hin; nicht ohne Einschränkung oder schlechthin.
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