Erster Artikel. Gott ist es zukömmlich, sich Kinder zu adoptieren.
a) Dem steht entgegen: I. Nur eine fremde Person adoptiert man, nach den Rechtsgelehrten. Keine Person aber ist Gott fremd; also kann Er keine adoptieren. II. Die Adoption tritt ein, wenn ein Kind von Natur mangelt. Gott aber hat von Natur einen Sohn. III. Es wird jemand adoptiert, um in das Erbe des adoptierenden einzutreten. Gott aber stirbt niemals. Also ist dies ein wenig zukömmlicher Ausdruck. Auf der anderen Seite heißt es Ephes. 1.: „Er hat uns vorherbestimmt, um uns als Kinder zu adoptieren.“
b) Ich antworte; jemand adoptiert einen anderen aus reiner Güte, damit dieser Anteil habe an seinem Erbe. Gott aber ist die reinste Güte. Und infolge dieser Güte geschieht es, daß Er seine Kreaturen zuläßt zur Teilnahme an seinen Gütern; und zwar zumal die vernünftigen Kreaturen, die auf Grund des Ebenbildes Gottes in ihnen geeignet sind, an der Seligkeit teilzunehmen und somit den Genuß des göttlichen Wesens zu haben, durch welches Gott selber selig und unendlich reich ist. Dies aber nennt man das Erbe jemandes, das nämlich, wodurch er selber reich ist. Insofern also Gott aus reiner Güte es zuläßt, daß die Menschen am Erbe seiner eigenen Seligkeit teilhaben, sagt man, Er adoptiere sie. Dies nun hat die Gottes-Adoptivkindschaft voraus vor der rein menschlichen, daß Gott den Menschen, den Er adoptiert, durch die Gnade geeignet macht zur Besitznahme des ewigen Erbes. Der Mensch aber setzt voraus, daß jemand geeignet sei, von ihm adoptiert zu werden.
c) I. Der Mensch in seiner Natur ist Gott nicht fremd mit Rücksicht auf die natürlichen Gaben; er ist aber fremd mit Rücksicht auf die Gaben der Gnade und Herrlichkeit und demgemäß wird er adoptiert. II. Der Mensch ist thätig, um seinen Bedürfnissen entgegenzukommen. Gott wirkt, um von seiner Fülle mitzuteilen. Wie also durch die Erschaffung den Dingen seitens der göttlichen Güte mitgeteilt wird gemäß einer gewissen natürlichen Ähnlichkeit mit dem göttlichen Sein; so wird durch den Akt der Gotteskindschaft den vernünftigen Kreaturen mitgeteilt die übernatürliche Ähnlichkeit, nach Röm. 8.: „Die Er vorherbestimmt hat, gleichförmig zu werden dem Bilde seines Sohnes.“ III. Ein körperliches Erbe kann niemand antreten, wenn der Erblasser nicht gestorben ist. Die geistigen Güter aber können von vielen ganz und zugleich besessen werden. Es könnte aber auch gesagt werden, Gott sterbe in uns als Gegenstand des Glaubens und fange an in uns zu leben durch die wahre Gegenwart seines göttlichen Wesens; nach der Glosse zu Röm. 8. (si filii).
