8. Kap. Kirchliche Schriftsteller.
Zu den Anwälten der Wahrheit zählte Hegesippus, den wir schon oben1 ausführlich zu Worte kommen ließen, als wir einige seiner Berichte über das apostolische Zeitalter wiedergaben. In den fünf Büchern seiner Erinnerungen, in welchen er die unverfälschte Überlieferung der apostolischen Lehre in einfachster Form wiedergab,2 bezeichnet er die Zeit seines Wirkens, indem er über die, welche vor allem Götzenbilder errichtet hatten, also schreibt:3 „Sie bauten ihnen Ehrengräber und Tempel bis auf den heutigen Tag. Zu diesen gehört Antinous, ein Sklave des Kaisers Hadrian.4 Ihm zu S. 165 Ehren werden zu unserer Zeit die antinoischen Kampfspiele gefeiert. Auch gründete Hadrian eine Stadt, die nach Antinous benannt ist …“5
Zur selben Zeit schloß sich noch Justin, ein aufrichtiger Freund der wahren Weisheit, eifrig griechischer Philosophie an. Auf diese Zeit verweist er selbst in seiner Apologie an Antoninus mit den Worten:6 „Wir halten es nicht für unangebracht, an dieser Stelle auch an Antinous, unseren Zeitgenossen, zu erinnern, den alle aus Angst wie einen Gott verehren, obwohl sie doch seine Person und seine Herkunft kennen.“ Justin erwähnt auch den damaligen jüdischen Krieg. Er schreibt darüber:7 „Während des zu unserer Zeit entbrannten jüdischen Krieges ließ nämlich Barkochba, der Führer der jüdischen Abfallsbewegung, nur gegen die Christen vorgehen, welchen er schwere Strafen auferlegte, wenn sie nicht Jesus Christus verleugneten und schmähten.“ In der gleichen Schrift berichtet Justin, daß sein Übertritt von der heidnischen Philosophie zur wahren Gottesverehrung nicht ohne Überlegung, sondern nach reiflichem Erwägen erfolgt sei. Er schreibt:8 „Als ich selbst noch Gefallen an der platonischen Lehre fand, hörte ich, wie die Christen gelästert wurden. Doch da ich sah, wie diese gegenüber dem Tode und allem, was für schrecklich gilt, furchtlos waren, dachte ich mir, es kann nicht sein, daß sie in Sünde und Genußsucht leben. Denn welcher genußsüchtige und wollüstige Mensch, der den Genuß von Menschenfleisch für etwas Gutes hält, vermöchte es, den Tod zu begrüßen, der ihn doch seiner sinnlichen Freuden beraubt? Sollte er nicht vielmehr, statt sich selbst der Todesstrafe auszuliefern, mit allen Mitteln darnach streben, ständig hier leben zu können S. 166 und der Obrigkeit verborgen zu bleiben?“ Justin erzählt auch, Hadrian habe von Serenius Granianus,9 einem ganz vorzüglichen Beamten, ein Schreiben zugunsten der Christen erhalten des Inhaltes, es sei nicht gerecht, die Christen ohne Anklage und ohne gerichtliche Untersuchung auf das Geschrei des Pöbels hin zu töten. Daraufhin habe Hadrian dem Minucius Fundanus, dem Prokonsul Asiens, in einem Antwortschreiben den Befehl gegeben, niemanden zu verurteilen, wenn nicht eine Anklage vorliege und der Prozeß nicht gewissenhaft geführt sei. Justin gibt eine Abschrift des Briefes unter Beibehaltung der lateinischen Sprache, in der er geschrieben war.10 Er schickt ihm folgende Einleitung voraus:11 „Schon unter Berufung auf einen Brief des größten, erlauchtesten Kaisers Hadrian, eures Vaters, hätten wir das Recht, von euch die Weisung zu verlangen, daß die richterlichen Urteile in der von uns erbetenen Form gefällt werden. Doch haben wir darum nicht so sehr deshalb gebeten, weil Hadrian dies befohlen hatte, als vielmehr aus dem Bewußtsein, mit unserer Ansprache Gerechtes zu fordern. Damit ihr erkennet, daß wir hierin die Wahrheit reden, fügen wir auch noch die Abschrift des Briefes Hadrians bei. Er lautet wie folgt.“ Der erwähnte Schriftsteller läßt nun das Reskript in lateinischer Sprache folgen. Wir aber haben es so gut wie möglich ins Griechische übersetzt. Es lautet:12
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II 23 (S. 92-95). ↩
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Vgl. S. 92 Anm. 3. ↩
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Zahn, Forsch, 6 S. 247. ↩
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Antinous, der Liebling Hadrians, ertrank 130 im Nil. ↩
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Der griechische Text läßt noch die Worte folgen: καὶ προφήτας, welche der Syrer unübersetzt läßt. „Das Exzerpt schließt mitten im Satze“ (Schwartz). — Nach Eusebius, KG IV 11, wirkte Hegesippus unter Antonius Pius, nach IV 21 unter Mark Aurel. ↩
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Apol. I 29. ↩
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Ebd. I 31. ↩
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Ebd. II 12. ↩
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Serenius Granianus ist identisch mit Qu. Licinius Silvanus Granianus, welcher 123—124 Prokonsul in Asien war. Sein Nachfolger war hier Minucius Fundanus. ↩
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In allen Justinhandschriften ist der Brief nur griechisch erhalten. ↩
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Apol. I 68. ↩
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Ebd. ↩