16. Kap. Der Philosoph Justin erleidet, die Lehre Christi in Rom predigend, den Martertod.
Als damals der weiter oben1 erwähnte Justin an die genannten Herrscher zugunsten unseres Glaubens eine zweite Schrift gerichtet hatte, wurde er mit herrlichem Martyrium geschmückt. Der Philosoph Krescens, der sich eines Lebenswandels befleißigte, welcher ihn des Namens eines Cynikers würdig machte, hatte nämlich gegen ihn gehetzt. Da er diesen in Unterredungen wiederholt in Gegenwart von Zuhörern zurechtgewiesen hatte, wurde er schließlich zum Lohne für die Verkündigung der Wahrheit mit dem Martyrium gekrönt, Justin selbst, ganz im Dienste der Wahrheit stehend, sagte sein Ende genau so, wie er es bald erfahren sollte, in der erwähnten Apologie voraus, und zwar mit folgenden Worten:2 „Auch ich erwarte von einem der Genannten verfolgt S. 185 und in den Pflock gespannt zu werden, vielleicht von Krescens, dem ehrgeizigen Dummkopf. Man darf doch nicht einen Mann als Philosophen bezeichnen, der auf uns Christen die von ihm gar nicht verstandenen Prädikate gottlos und pietätlos öffentlich anwendet. Er tut dies ja nur, um der irregeführten Masse einen Gefallen zu erweisen und Freude zu machen. Wenn er, ohne in die Lehren Christi Einblick genommen zu haben, gegen uns loszieht, so ist er ein nichtswürdiger Mensch und steht viel tiefer als die Ungebildeten, die sich meist davor hüten, über Dinge, die sie nicht verstehen, zu sprechen und Zeugnis abzugeben. Hat er aber Kenntnis von den Lehren genommen, ohne ihre Erhabenheit zu verstehen, oder versteht er sie zwar, handelt aber in seiner Weise, um nicht in den Verdacht eines Christen zu kommen, dann ist er noch viel unehrlicher und nichtswürdiger, da er so als Sklave einer gemeinen und dummen Ehrsucht und Furcht dasteht. Denn ihr sollt wissen, daß ich ihm einige diesbezügliche Fragen forschend vorgelegt, dabei aber erfahren und bewiesen habe, daß er tatsächlich nichts versteht. Zum Beweise dafür, daß ich die Wahrheit sage, bin ich, falls euch die Unterredungen nicht mitgeteilt worden sind, bereit, in eurer Gegenwart die Frage noch einmal vorzulegen. Dies wäre etwas, was einen Kaiser erfreuen könnte. Wenn ihr aber von meinen Fragen und seinen Antworten erfahren habt, dann ist euch klar, daß er von unserem Glauben nichts versteht. Sollte er jedoch etwas davon verstehen, aber aus Scheu vor den Zuhörern nicht zu sprechen wagen, dann erweist er sich, wie ich schon oben erklärte, nicht als Freund der Weisheit, sondern des Ruhmes, und achtet nicht einmal das feine Wort des Sokrates.“3 Soweit Justin. Daß er, wie er es voraussagte, infolge der Intrigen des Krescens den Tod fand, berichtet Tatian, der zunächst in den griechischen S. 186 Wissenschaften Unterricht erteilte, hierin nicht wenig Ruhm erntete, auch zahlreiche wissenschaftliche Denkmäler hinterließ. In seiner Schrift „Gegen die Hellenen“ erzählt er also:4 „Der bewundernswerte Justin hat mit Recht erklärt, daß die zuvor erwähnten Männer Räubern gleich seien.“ In seinen folgenden Bemerkungen über die Philosophen fährt er fort:5 „Krescens, der sich in der Hauptstadt eingenistet hatte, war mehr als alle der Päderastie ergeben und von Habgier ganz gefesselt. Obwohl er riet, den Tod zu verachten, fürchtete er ihn gleichwohl selber so sehr, daß er Justin, weil dieser in Verkündigung der Wahrheit die Philosophen als Schlemmer und Betrüger hingestellt hatte, den Tod als furchtbares Übel androhte.“6 Dies also ist der Anlaß zum Martyrium des Justin gewesen.7
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IV 8 u. 11—12 (S, 165f. 169f.). ↩
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Apol. II 3 (bzw. 8). ↩
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Gemeint ist das sokratische Wort: „Keinesfalls darf man den Menschen höher schätzen als die Wahrheit“ (Plato, de rep. X 595 c). ↩
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Tatian, Rede an die Hellenen 18. ↩
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Ebd. 19. ↩
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Zwischen dem Texte der Tatianhandschrift und dessen Wiedergabe durch Eusebius bestehen an dieser Stelle einige Differenzen. Während v. Harnack (Gesch. d. altchristl. Lit. II 1, 1897, S. 285) den Text der Handschrift als unantastbar erklärt, bezeichnet Funk (Kirchengesch. Abhdlg. u. Untersuch. II 1899, S. 142 ff.) den eusebianischen Text als den besseren. ↩
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Eusebius scheint die Acta Ss. Justini et sociorum nicht gekannt zu haben, wonach Justin unter dem römischen Stadtpräfekten Rustikus (163—167) gegeißelt und hingerichtet wurde. ↩