8.
Fahren wir fort! Wir suchten eine dieser hervorragenden Frau würdige Wohnung, welche sich nach der Einsamkeit mit der einen Einschränkung sehnte, daß sie der Herberge Marias nicht zu entbehren brauchte. Da tauchten plötzlich bald hier, bald dort Nachrichten auf, über welche der ganze Orient in Unruhe geriet. Von den äußersten Grenzen des Maeotischen Sees1 , zwischen dem eisigen Tanais2 und den wilden Völkerschaften der Massageten3 , dort wo die von Alexander angelegten festen Plätze die barbarischen Stämme hinter den Felsgebirgen des Kaukasus zurückhielten, sollten Scharen von Hunnen aufgebrochen sein, die auf ihren flinken Rossen nach allen Seiten hin ausschwärmten und alles gleichmäßig mit Mord und Schrecken erfüllten. Das römische Heer war zurzeit abwesend und wurde durch Bürgerkriege in Italien in Anspruch genommen4 . Von diesem S. 176Volke berichtet Herodot, daß es unter dem Mederkönig Darius zwanzig Jahre lang den Orient in Spannung gehalten und von den Ägyptern und Äthiopiern einen jährlichen Tribut gefordert habe5 . Möge Jesus in Zukunft solche Bestien vom römischen Reiche fernhalten! Ganz unerwartet traten sie überall auf und eilten so schnell, daß ihnen kein Gerücht vorausgehen konnte. Sie schonten weder Religion, noch Würde, noch Alter, nicht einmal der wimmernden Kinder erbarmten sie sich. Nachdem sie kaum zu leben angefangen hatten, mußten diese sterben, und da sie ihr Unglück nicht begriffen, lächelten sie unter den Händen und Geschossen der Feinde. Allgemein ging das Gerücht, Jerusalem sei ihr Ziel, sie eilten nach dieser Stadt in der Absicht, große Beute an Geld zu machen. Man besserte zu Antiochia die Mauern, welche in der sorglosen Friedenszeit vernachlässigt worden waren, aus. Tyrus wollte sich vom Festlande trennen und zog sich wieder in die alte Inselstadt zurück6 . Da sahen auch wir uns veranlaßt, Schiffe bereit zu halten, in der Nähe des Ufers zu verweilen und der Ankunft der Feinde vorzubeugen. Selbst bei wütenden Stürmen hätten wir uns mehr vor den Barbaren als vor einem Schiffbruch gefürchtet, nicht so sehr auf unsere eigene Rettung als auf den Schutz der jungfräulichen Keuschheit bedacht. Es bestand zu jener Zeit bei uns eine gewisse Meinungsverschiedenheit, und die häuslichen Kriege waren noch schlimmer als der Kampf mit den Barbaren7 . Doch hielten uns im Orient unsere festen Wohnsitze zurück und die noch nicht erloschene Liebe S. 177zu den heiligen Stätten. Fabiola aber, die ganz und gar auf der Reise und überall in der Stadt fremd war, kehrte in ihr Vaterland zurück, um hier, wo sie reich gewesen war, in Armut weiter zu leben. Hier wohnte sie in fremdem Eigentum, während sie früher selbst viele Gäste aufgenommen hatte. Auch teilte sie, um es kurz zu sagen, vor den Augen der ganzen Stadt Rom unter die Armen aus, was sie aus dem Verkauf ihrer Güter, wie öffentlich bekannt war, gelöst hatte.
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Das Asow'sche Meer. ↩
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Der Don. ↩
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Ein skythischer Volksstamm nördlich vom Aralsee. ↩
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Im Jahre 392 wurde Valentinian II. von seinem Feldherrn, dem fränkischen Heerführer Arbogast, ermordet. Gegen diesen wandte sich mit allen verfügbaren Truppen des Orients der Kaiser Theodosius und besiegte ihn 394 bei Aquileja. ↩
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Der Name Hunni kommt bei Herodot nicht vor. Da der Name bei den Klassikern öfters für skythisohe Völkerschaften gebraucht wird, denkt Hieronymus vielleicht an Herodot I, 104 f. ↩
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Alt-Tyrus lag auf einer Insel, vier Stadien vom Lande, Es wurde von Alexander, der einen eigens zu diesem Zweck gebauten Erddamm für sein Landheer errichten ließ, eingenommen. Vergl. Arrian. II, 16; Curt. IV, 2, 18. Zu Zeiten der Gefahr zogen sich die Einwohner von Neu-Tyrus auf dem Festlande nach dieser Insel-Stadt zurück. ↩
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Hieronymus deutet seine Zwistigkeit mit dem Bischof Johannes von Jerusalem an. ↩