2.
Martyrium ist Nachvollzug des Todesleidens Christi. Aber dieser Tod Gottes war das „Hinausstoßen des Fürsten dieser Welt“ (Joh. 12, 31) und das messianische „Auflösen seiner Werke“ (1 Joh. 3, 8). Darum ist das Blutzeugnis der Märtyrer Jesu eine Fortsetzung dieses leidenden Sieges über den Satan, darum sind Verfolgung und Tod geradezu notwendiger Erweis der Wahrheit. Nur so verstehen wir, was im Todesbericht des Polykarp, im Brief aus Lugdunum, in der Apologie des Apollonius vom Kampf gegen die Schlachtreihe des Satans, vom herrlichen Athletenwettkampf gegen den uralten Feind Gottes gesagt wird. Im Dienst des Teufels stehen die irdischen Verfolger, sie führen nur aus, was ihnen ein höherer Geist, „der Feind aller Heiligen“ (Karpos), eingibt. An ihrer Spitze stehen die Juden, deren „Eifersucht“ schon die Apostelgeschichte (5, 17; 13, 45) und Paulus (1 Thess. 2, 15 16) die Anfänge der Christenverfolgungen zuschreiben. Papst Klemens von Rom hat dieses Wort von der jüdischen „Eifersucht“ aufgenommen (Korintherbrief Kap. 5 u. 6), und im Martyrium des Polykarp wird es anschaulich greifbar, wie lebendig dieser heilsgeschichtliche Haß der Juden noch damals war. Im Dienst des großen Gottesgegners steht dann auch die römische Staatsgewalt, insofern sie dem Götterglauben und vorab dem Kaiserkult, also den Dämonen, verschrieben ist. Es ist aber auf dem Hintergrund dieses Gedankens S. 20 von erschütternder Eindruckskraft, wie dennoch in allen sieben Dokumenten die grundsätzliche Staatstreue der Christen ausgesprochen wird und mit welch begnadeter Treffsicherheit diese Zeugen des Wortes zu unterscheiden wissen zwischen echter und angemaßter Staatsgewalt.
Der Sieg über den Satan wird errungen in der Kraft des göttlichen Geistes, der „auch seinen Schlachtenplan entwarf“ (Mart. Pol.) und das große Gericht über diese Welt leitet (Joh. 16, 11). Darum ist jegliches Martyrium — eben weil es Bezeugung des Todes dessen ist, der sich „im Heiligen Geist geopfert hat“ (Hebr. 9, 14) — eine Auswirkung des Geistes und seines in der Kirche wirksamen Grundgesetzes: daß alles Wachstum der Kirche immer nur befruchtet werden kann von Blut. Das hat der Presbyter Irenäus seinen Märtyrern von Lugdunum gepredigt und hat es in sein Werk gegen die Ketzer aufgenommen: „Auf neue Weise ruht nun der Geist Gottes über der Kirche. Darum erleidet sie Verfolgung von denen, die das Zeugnis vom Wort Gottes nicht aufnehmen. Jeder, auf dem Gottes Geist ruht, muß Verfolgung erdulden!“ (Adv. haer. IV, 33, 9). Das hat Justinus bezeugt: „Je größer das Martyrium, um so größer wird durch den Namen Jesus die Zahl der Gläubigen“ (Dial. 110). „Je öfter man ohne Recht und ohne Urteil die Christen tötet, um so zahlreicher wird ihre Schar von Gott gemacht“, sagt Apollonius vor Gericht. Tertullian spricht also die Theologie seines Jahrhunderts aus, wenn er im Jahre 197 im „Apologeticus" (Kap. 50) S. 21 den weltbekannten Satz prägt: „Jedesmal, wenn wir von euch abgeerntet werden, werden wir mehr. Denn ein Same ist das Blut der Christen!“
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