98.
1. Nachdem wir jetzt diese Voruntersuchungen beendigt haben, dürfte sich daran anschließen, daß unser Erzieher Jesus uns das wahre Leben vorzeichnet und den Menschen in Christus erzieht. Die Kennzeichnung ist aber nicht allzu ängstigend, jedoch auch nicht infolge von Milde ganz ohne Kraft. Er gibt Gebote und kennzeichnet sie zugleich so, daß wir sie befolgen können.
2. Und eben er ist es, wie mir scheint, der den Menschen aus Staub bildete, 1 ihn durch Wasser wiedergebar, ihn durch den Geist im Wachstum förderte, ihn durch das Wort erzog und durch heilige Gebote ihn für die Kindschaft und für das Heil vorbereitet, damit er endlich durch sein Hinzukommen den Erdgeborenen 2 in einen heiligen und himmlischen Menschen umbilde und so vor allem das Wort Gottes erfülle: „Lasset uns einen Menschen nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit machen!“ 3
3. Und tatsächlich wurde Christus dies in vollkommener Weise, was Gott damit gesagt hat; bei den anderen Menschen aber hat nur das Wort „nach seinem Bilde“ Geltung. 4 Wir aber, ihr Kinder eines S. 292 guten Vaters, ihr Zöglinge 5 eines guten Erziehers, wir wollen den Willen des Vaters erfüllen, wollen auf den Logos hören und wollen das wahrhaft heilbringende Leben unseres Heilandes in unserem eigenen Leben treu nachbilden; indem wir uns schon hier innerlich für den Wandel im Himmel vorbereiten, bei dem wir vergöttlicht werden, wollen wir uns mit der Salbe unvergänglicher Freude und reinsten Wohlgeruchs salben lassen, 6 da wir als leuchtendes Vorbild den Wandel des Herrn haben und den Spuren Gottes folgen können; ihm allein kommt es zu, darauf zu sehen; und in der Tat liegt es ihm am Herzen, wie und auf welche Weise das Leben der Menschen gebessert werden kann.
4. Er bereitet uns aber auch für Genügsamkeit und Anspruchslosigkeit in unserem Leben vor und ferner noch für eine durch nichts beschwerte oder gehemmte Bereitschaft zu der Wanderung nach einem ewigen heiligen Leben. Dabei lehrt er uns, daß jeder einzelne von uns selbst seine Vorratskammer sein müsse, mit dem Wort: „Macht euch keine Sorgen um den morgigen Tag!“ 7 Damit will er sagen, daß jeder, der sich in die Gemeinde Christi eintragen läßt, ein genügsames und von fremder Hilfe unabhängiges und dazu nicht über den einzelnen Tag hinaus sorgendes Leben auf sich nehmen muß. Denn nicht im Kriege, sondern im Frieden findet unsere Erziehung statt.
Vgl. Gen. 2, 7. ↩
Vgl. Protr. 98, 3. ↩
Gen. 1, 26. ↩
Die beiden synonymen Worte „Bild“ und „Ähnlichkeit“ wurden verschieden gedeutet: „Bild“ wurde auf die physische, „Ähnlichkeit“ auf die ethische Wesensart bezogen; vgl. Strom. II 131, 6. Die Gnostiker beziehen „Bild“ auf den Demiurgen und „Ähnlichkeit“ auf die dem Demiurgen unbekannte Einhauchung des Geistes und auf sich selbst; vgl. Strom. IV 90, 3. 4. Demnach ist der Choiker (der Staubmensch) „nach dem Bilde“, der Psychiker „nach der Ähnlichkeit“; vgl. Exc. ex Theod. 50. 54. ↩
Zu dem griechischen Ausdruck θρέμματα vgl. z. B. Platon, Gesetze VI p. 777 B. ↩
Vgl. Ps. 44, 8; Is. 61, 3. ↩
Matth. 6, 34. ↩
