2.
Wenn wir aber alle, in einer Hoffnung der Berufung aufgenommen, ein Leib sind und zum Haupte Christus haben und wir nur dadurch einzeln Glieder von einander sind, daß wir durch die Eintracht im heiligen Geiste zur Harmonie eines Leibes vereinigt werden, dagegen Jeder von uns das einsame Leben erwählt und nicht, wie es Gott wohlgefällig ist, in der Heilsökonomie dem gemeinsamen Wohle dient, sondern seiner eigenen Neigung sich selbst genügend folgt; wie können wir dann, geschieden und getrennt, die gegenseitige Haltung und Leistung der Glieder gegen einander oder die Unterwürfigkeit unter unser Haupt, welches da Christus ist, aufrecht erhalten? Denn weder können wir in der Trennung von einander mit dem Verherrlichten uns freuen noch mit dem Leidenden mitleiden, da ja natürlich Niemand den Zustand des Andern wissen kann. Da ferner Einer allein nicht im Stande ist, alle geistigen Gaben zu empfangen, sondern der Geist nach dem Maaße des Glaubens, der in Jedem ist, verliehen wird, so wird in dem gemeinsamen Leben die einem Jeden verliehene besondere Gabe Gemeingut der Genossenschaft. Denn dem Einen wird verliehen das Wort der Weisheit, dem Andern das Wort der Erkenntniß, dem Andern Glaube, dem Andern Weissagung, dem Andern die Gabe zu heilen u. ff.1 und was Jeder besitzt, Das hat er nicht so sehr S. 71 seinet- als der Übrigen wegen empfangen, daher dann im gemeinsamen Leben die Einem verliehene Wirksamkeit des heiligen Geistes zugleich auf Alle übergehen muß. Wer aber abgesondert für sich lebt, der macht die Gnadengabe, die er vielleicht empfangen hat, durch den Nichtgebrauch unnütz, indem er sie in sich vergräbt. Mit welcher Gefahr Das aber verknüpft sei, wisset ihr alle, die ihr die Evangelien gelesen habt. In dem Zusammenleben mit Mehreren aber genießt Jeder nicht nur seine eigene Gabe, indem er sie durch Mittheilung vervielfältigt, sondern er zieht auch aus den Gaben der Andern wie aus seiner eigenen Gewinn.
I. Kor. 11, 8—10. ↩
