4.
Denn worin soll er seine Demuth beweisen, da er niemand hat, vor dem er sich demüthig zeigen könnte? worin seine Barmherzigkeit, da er vom Umgange mit Andern abgeschnitten ist? Wie soll er sich in der Großmuth üben, da sich Niemand seinem Willen widersetzt? Sagt aber Jemand, er habe an der Lehre der göttlichen Schriften genug, um seine Sitten zu bessern, so macht er es wie Einer, der bauen gelernt hat, aber niemals baut, der im Schmiedehandwerk unterrichtet ist, aber das Gelernte nicht anwendet. Zu Diesem möchte der Apostel sagen: „Nicht die Hörer des Gesetzes sind gerecht bei Gott, sondern die Ausüber des Gesetzes werden gerechtfertigt werden.“1 Denn siehe der Herr begnügte sich aus überschwenglicher Liebe zu den Menschen nicht allein mit der Belehrung durch Worte, sondern er hat, um uns klar und deutlich ein Beispiel der Demuth in vollkommener Liebe zu geben, sich geschürzt und den Jüngern die Füße gewaschen. Wen willst du denn waschen, wen bedienen, gegen wen der Letzte sein, wenn du einsam für dich lebst? Das Schöne und Angenehme aber, das Zusammenwohnen der Brüder nämlich, welches der heilige Geist mit einer Salbe vergleicht, welche vom Haupte des Hohenpriesters duftet,2 wie wird dieses beim Wohnen in der Einsamkeit erfüllt werden? Ein Kampfplatz also, ein guter Weg zum Fortschreiten, eine beständige Übung und Pflege der Gebote des Herrn ist das Zusammenleben der Brüder, welche zum Zwecke hat die Ehre Gottes nach dem Befehle unsers Herrn Jesus Christus, der da sagt: „So leuchte S. 73 euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist,“3 und welche die Art und Weise der in der Apostelgeschichte erwähnten Heiligen bewahrt, von denen geschrieben steht: „Alle aber, welche glaubten, waren beisammen und hatten Alles gemeinschaftlich,“4 und ferner: „Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nannte nicht Einer von Dem, was er besaß, Etwas sein eigen, sondern ihnen war Alles gemeinsam.“5
