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S. 263 Brüder, das Heilige wollen wir also nicht unheilig, das Erhabene nicht gemein, das Würdige nicht unwürdig und ― um es kurz zu sagen ― die Feste des Geistes nicht irdisch feiern! Der Jude begeht Feste, um dem Buchstaben zu dienen, der Heide, um den Dämonen zu gefallen. Wir aber haben die Pflicht, Feste und Festesfreuden zu vergeistigen, da bei uns alles im Geiste geschehen muß: Die Handlungen, die Bewegungen, das Wollen, das Reden, selbst das Gehen und Ankleiden und das Verbeugen; denn der Logos will alles erfassen und den Menschen nach Gott gestalten. Nicht verhindere ich die Erholung, aber der Zügellosigkeit setze ich Schranken. Wenn wir in gewünschter Weise zusammenkommen und Feste halten, dann können wir uns rühmen, den gleichen Kampfpreis zu erlangen und dieselbe Herrlichkeit zu erben; denn was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und kein menschlicher Geist, mochte er die Seligkeit noch so sehr zu ergründen suchen, je ersonnen hat, das ist nach unserem Glauben denen bestimmt, welche sich durch das Blut gereinigt und das Opfer Christi nachgeahmt haben. Doch ist es nach meiner Lehre noch etwas Großes, das uns beschieden sein wird: Wir werden die Herrlichkeit der Märtyrer schauen, in die Freude des Herrn selbst eingehen und heller und reiner im Lichte der seligen, ewigen Dreifaltigkeit leuchten, an welche wir glauben, welcher wir dienen und welche wir furchtlos, ohne uns vor den äußeren Feinden und vor den falschen Christen und den Gegnern des Geistes im eigenen Kreise zu schämen, vor Gott und den Menschen bekennen. Möchten wir die herrliche Überlieferung der Christus nahestehenden, heiligen Väter und unseres ersten Glaubens, das Bekenntnis, zu dem wir von Kindheit an erzogen worden sind und das wir zuerst bekannt haben, bis zum letzten Atemzuge in aller Offenheit bekennen, um mit diesem Bekenntnis schließlich die Welt zu verlassen und, wenn wir sonst nichts mehr haben, die Gottesliebe zu behalten.
