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Ihm gleicht das Volk der Kirche, das gleichsam mit des Glaubens Wurzel gepflanzt und mit der Demut Senker gezogen wird; von dem der Prophet so schön spricht: „Einen Weinstock siedeltest Du aus Ägypten herüber und pflanztest seine Wurzeln, und vollbedeckt ward das Land. Berge überdeckte sein Schatten und seine Zweige die Zedern Gottes. Er dehnte seine Ranken bis an das Meer und bis an den Strom seine Schößlinge“1. Und durch Isaias [Jesaja] hat der Herr selbst gesprochen: „Ein Weinberg ward meinem Lieblinge auf der Höhe an ergiebiger Stelle. Und ich führte eine Mauer und führte einen Graben um den Sorekweinberg2 herum und erbaute einen Turm in seiner Mitte“3. Wie mit einem Walle umgab er ihn nämlich mit himmlischen Geboten und mit der Engel Hut. Denn „lagern wird sich der Engel des Herrn rings um jene, die ihn fürchten“4. Er stellte in die Kirche sozusagen den Turm der Apostel, der Propheten und Lehrer, welche die Friedenswehr der Kirche zu sein pflegen. „Er zog einen Graben um sie herum“, als er von ihr den S. 112 schwerlastenden Wust der irdischen Sorgen nahm; nichts belastet ja den Geist mehr als die weltliche Sorge und die Sucht sei es nach Geld- oder sei es nach Machtbesitz. Den Beweis hierfür hast du im Evangelium, wenn du liest, wie jene Frau, welche den Geist der Schwachheit hatte, zusammengekrümmt war, so daß sie nicht aufzublicken vermochte5. Gekrümmt war nämlich ihre Seele, weil sie auf irdischen Gewinst gerichtet war und den Blick für die himmlische Gnade verloren hatte. Da sah Jesus das Weib an und rief es, und sogleich entledigte es sich des Irdischen, das sie beschwerte. Mit solchen irdischen Gesinnungen waren auch, wie er zeigt, jene belastet, zu welchen er sprach: „Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch erquicken“6. So atmete und richtete sich denn die Seele jener Frau von neuem auf, nachdem so gleichsam um sie gegraben war.
