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[Forts. v. S. 156 ] Stoße dich nicht daran, weil dir der Sonnenball, wenn er aufleuchtet, nur ellengroß erscheint, bedenke vielmehr, welch unermeßlicher Raum zwischen der Sonne und der Erde sich dehnt, den unser schwacher Blick nicht ohne große Selbsteinbuße zu durchmessen vermag. Es dunkelt vor unserem Auge: dunkelt darum auch die Sonne oder der Mond? Eng begrenzt ist unser Blick: verengt und verkleinert er darum auch die Gegenstände, auf die er fällt? Nur scheinbar nehmen sie ab, ihre Größe leidet keine Einbuße. Wir dürfen eben die Mangelhaftigkeit, an der wir leiden, nicht auf die Himmelsleuchten übertragen, als ob diese daran litten. Unser Auge trügt, halte darum sein Urteil nicht für sicher! Es verringert sich vielmehr nur das Bild, das sich das Auge von den Himmelskörpern macht, nicht die wirkliche Gestalt. Verlangt es dich, von einem hohen Berggipfel das Gefilde, das tief unten vor deinen Augen sich breitet, und die weidenden Herden darauf zu schauen: werden dir ihre Leiber nicht wie Ameisen vorkommen? Läßt du von irgendeinem Aussichtspunkte am Gestade den Blick über das Meer schweifen: kommen dir nicht die größten Schiffe, die ihre weißen Segel aus der blauen Flut aufschimmern lassen, wie Tauben vor, die in der Ferne über dem Meere schweben? Wie? Selbst die Inseln, die das Meer teilen, die hier und dort fruchtbares Festland darin einbetten: wie knapp dünkt einem der Ufersaum, der sie einschließt? Wie abgerundet erscheinen sie trotz ihrer Zerrissenheit! Wie dicht aneinanderliegend trotz ihrer sporadischen Vereinzelung! Diese Schwächen deines Auges also bedenke, und du wirst, ein richtiger Beurteiler, aus dir selbst die Glaubwürdigkeit unserer Ausführungen schöpfen.
