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Und weil gerade das Beispiel von den listigen Schlangen angezogen wurde: Seien wir listig auch in der Eingehung und Wahrung der Ehen, halten wir in Liebe an der Lebensgemeinschaft fest, die unser Teil ward! Ob solche, die im Augenblick ihrer Geburt ferne Lande getrennt hatten, sich zusammenfanden, ob der Mann in die Fremde zog: keine Ferne, keine Enthaltung darf die Zuneigung und Liebe mindern. Dasselbe Gesetz bindet sie, ob sie anwesend oder abwesend sind; dasselbe Band der Natur knüpft zwischen ihnen, ob sie fern oder nahe sind, die Rechte der ehelichen Liebe; dasselbe Joch der Einsegnung ruht auf beider Nacken, mag auch ein Eheteil für lange Zeit scheiden und in abgelegene Lande ziehen; denn nicht auf den Nacken des Leibes, sondern des Geistes nehmen sie das Joch der Gnade.
Die Viper, die verworfenste Art von Tieren und die hinterlistigste aller Schlangenarten, begehrt, wenn Lust sie anwandelt, nach der Vermischung mit der S. 180 Seemuräne, die sie längst gewohnt ist, oder die sie neu vorbereitet. Sie kriecht an das Gestade vor, bekundet mit Zischen ihre Anwesenheit und lockt so jene als Gatten zum Verkehre an. Die Muräne aber bleibt auf diese Einladung nicht fern und gewährt der Giftschlange den ersehnten Umgang mit ihr. Was bezweckt nun ein derartiger Hinweis anders als die Einschärfung der Pflicht, den Gatten, wie er auch geartet ist, zu ertragen und, falls er abwesend ist, sein Erscheinen abzuwarten? Mag er rauh, falsch, ungeschlacht, ein Leichtfuß, ein Trunkenbold sein. Was wäre schlimmer als Gift? Und doch flieht es die Muräne im Gatten nicht. Gerufen bleibt sie nicht fern und umfängt in beflissener Liebe die schlüpfrige Schlange. Er [der Gatte] muß das Schlimme an dir und die Unbeständigkeit deiner weiblichen Laune ertragen: du, Weib, wolltest deinen Mann nicht aushalten können? Adam wurde durch Eva verführt, nicht Eva durch Adam. Es ist also nur gerecht, daß das Weib den Mann, den es zur Schuld verleitete, zum Führer nimmt, um nicht wiederum in weibliche Unbeständigkeit zu fallen. Aber er ist so struppig und ungeschlachtet: er hat dir ein für allemal gefallen! Oder ist die Wahl des Mannes öfter zu treffen? Das Rind verlangt nach seinem Jochgenossen und das Pferd ist ihm zugetan, und ob auch an dessen Statt ein neuer tritt, weiß es als Genosse des anderen das Joch nicht mehr zu tragen und dünkt sich nicht mehr ganz: du willst deinen [Ehe]Genossen verschmähen, glaubst ihn oftmals wechseln zu dürfen, führst, wenn er nur einen Tag abwesend ist, hinter seinem Rücken den Nebenbuhler ein und läßt dir ohne weiteres, als wäre der ungewohnte Verkehr ein gewohnter, die Verletzung der Keuschheit zuschulden kommen. Die Viper verlangt nach dem abwesenden Genossen, ruft und lockt den abwesenden mit einschmeichelndem Zischen und speit, sobald sie ihn herankommen sieht, aus Achtung vor dem Gatten, aus Ehrfurcht vor der Ehe das Gift aus: du, Weib, wolltest den Gatten bei der Rückkehr aus der Ferne unter Schmähungen abweisen? Die Viper blickt S. 181 hinaus auf das Meer, spät nach des Gatten Spur: Du wolltest dem Manne mit Grobheiten den Weg verlegen? Du wolltest des Zankes Gift statt auszuspeien in Wallung setzen? Du wolltest in dem Augenblick, da der Gatte dich umarmen will, aufbrausend tödliches Gift ausspritzen, ohne Ehrfurcht vor der Ehe, ohne Achtung vor dem Gatten?
