5.
Wie uns das verlesene Evangelium gezeigt hat, sagt zwar unser Herr Jesus Christus zu seinen Jüngern: "Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch wahrlich darüber freuen, daß ich zum Vater gehe, weil der Vater größer ist als ich"1 , allein die Apostel, die schon des öfteren vernommen hatten: "Ich und der Vater sind eins"2 und "Wer mich sieht, sieht auch den Vater"3 hören jene Worte, ohne einen Unterschied in der göttlichen Natur anzunehmen und ohne sie auf das göttliche Wesen dessen zu beziehen, dem sie die gleiche Ewigkeit und die gleiche Beschaffenheit wie dem Vater zuerkennen. Jene Worte wollen sagen, daß auch den heiligen Aposteln die Menschwerdung des Gottessohnes eine Erhöhung ihrer menschlichen Natur bringt. Durch diese Mehrung ihrer Ehre werden die zur Erringung ewiger Freuden aufgemuntert, die über den angekündigten Heimgang des Herrn betrübt waren. "Wenn ihr mich liebtet," sagt der Herr, "würdet ihr euch wahrlich darüber freuen, daß ich zum Vater gehe". Das heißt: Wenn ihr vollkommen verstehen könntet, welche Herrlichkeit euch dadurch bereitet wird, daß ich, der Sohn des göttlichen Vaters, auch eine menschliche Mutter habe, daß ich, der Herr der Ewigkeit, einer der Sterblichen sein wollte, daß ich, der Unsichtbare, mich sichtbar machte, daß ich, der ewige Gott, Knechtsgestalt annahm, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe. Euch kommt meine Erhöhung zugute. Euere niedrige Natur wird in mir über alle Himmelshöhen auf den Sitz zur Rechten des Vaters emporgehoben. Dagegen bleibe ich, der das Wesen des Vaters teilt, unzertrennlich mit meinem Vater. Wie ich mich von ihm nicht entferne, wenn ich zu euch komme, so verlasse ich auch euch nicht, wenn ich zu ihm S. 419zurückkehre." "Freuet euch darüber, daß ich zum Vater gehe, weil der Vater größer ist als ich!" "Ich habe euch mit mir vereint und bin des Menschen Sohn geworden, damit ihr Kinder Gottes werden könnt. Ich bin eins in zweien. Aber trotzdem bin ich hinsichtlich dessen, worin ich euch gleiche, kleiner als der Vater, hinsichtlich meiner vom Vater unzertrennlichen Natur dagegen sogar größer noch als ich selbst." So geht denn jene Natur zum Vater ein, die kleiner ist als der Vater, damit das Fleisch den ewigen Sitz des Wortes teilt. Der eine Glaube der kathlolischen Kirche aber soll daran festhalten, daß der als Gott mit dem Vater gleich ist, den er als Menschen für geringer hält!
