9. Kap. Die Hl. Schrift ist dem Gebrauch der Kränze keineswegs günstig.
Welcher Patriarch, welcher Prophet, Levit, Priester oder Vorsteher1, und in der Folgezeit welcher Apostel, Missionar oder Bischof findet sich mit einem Kranze geschmückt? Keiner; ich glaube nicht einmal der Tempel Gottes, die Arche des Bundes oder das Zelt des Zeugnisses, weder der Altar noch die Leuchter, für welche doch eine Bekränzung sowohl bei der Feier der ersten Einweihung, als bei der zweiten Freude der Wiederherstellung gepaßt hätte, wenn sie überhaupt Gottes würdig wäre. Nun aber, wenn das unsere Vorbilder gewesen sind - denn wir sind ja die Tempel Gottes, seine Altäre, Leuchter und Geräte - so ist uns dadurch auch in vorbildlicher Weise die Lehre angekündigt, daß die Diener Gottes sich nicht bekränzen dürfen; denn die Wirklichkeit wird dem Vorbilde entsprechen müssen. Wenn man mir vielleicht entgegenhält, Christus selbst sei gekrönt worden2, so wird man darauf sofort die kurze Antwort hören: Einen solchen Kranz laß dir auch aufsetzen; das ist erlaubt. Und doch hat nicht einmal das Volk dieses Geflecht schmachvoller Ruchlosigkeit3 veranstaltet, nein, es war eine Erfindung der römischen Soldaten und aus einem Gebrauche der Heidenwelt hervorgegangen, den das Volk Gottes weder als Ausdruck der öffentlichen Freude noch auch der angeborenen Ausgelassenheit jemals geduldet hat. Es kehrte aus der babylonischen Gefangenschaft lieber mit Pauken, Flöten und Psalmengesang zurück als mit Kränzen4, und stand nach dem Genuß von Speise und Trank auf, um zu spielen5, aber ohne Kränze. Weder in dieser Schilderung der Freude, noch in der tadelnden Beschreibung der Ausgelassenheit würde die Verzierung beziehungsweise S. 249Verunzierung mit Kränzen verschwiegen worden sein. Daher würde Isaias, der da sagt: „Unter Pauken, Psalmengesang und Flöten trinken sie Wein“6, auch die Kränze erwähnt haben, wenn dieser Gebrauch in der heiligen Geschichte jemals vorgekommen wäre.
