16.
Du wirst mich fragen: „Warum gehst du in die Einöde?“ Selbstverständlich, um dich nicht zu hören und zu sehen, um deine Wut nicht kosten zu müssen, um unter deinen Anfeindungen nicht zu leiden, um nicht eingefangen zu werden durch den Blick einer Dirne, um nicht durch eine schöne Gestalt zu unerlaubten Umarmungen verlockt zu werden. Du wirst erwidern: „Das nennt man nicht Kampf, sondern Flucht“. Bleib du in der Schlachtreihe, tritt den Feinden entgegen mit den Warfen in der Hand, siege, um dann gekrönt zu werden! Ich gebe meine Schwachheit zu. Ich will nicht kämpfen in der Hoffnung auf Sieg, um am Ende um den Sieg zu kommen. Fliehe ich, dann gehe ich dem Schwert aus dem Wege. Stelle ich mich, dann muß ich entweder siegen oder fallen. Wozu ist es denn nötig, die sichere Stellung aufzugeben und ins Ungewisse hineinzusteuern? Der Tod muß überwunden werden mit dem Schild oder mit den Füßen. Du, der du kämpfst, kannst überwunden werden oder siegen. Ich aber, der ich fliehe, siege nicht deshalb, weil ich fliehe, sondern ich fliehe, um nicht besiegt zu werden. Man hat keine Sicherheit, wenn man in der Nähe einer Schlange schläft. Es ist möglich, daß sie mich nicht beißt, es ist jedoch auch möglich, daß sie mich einmal beißt. Mit dem Namen Mutter bezeichnen wir [geistliche] Schwestern und Töchter, und wir schämen uns nicht, in ehrerbietigen Bezeichnungen unseren Lastern einen Riegel vorzuschieben. Was hat der Mönch in den Zellen der Frauen zu suchen? Was sollen diese Privatunterhaltungen zu zweien? Wozu geht man Zeugen aus dem Wege? Die heilige Liebe kennt keine Ungeduld. Was ich von der bösen Begierlichkeit gesagt habe, gilt auch vom Geize und von allen Lastern, denen man in der Einsamkeit entgeht. Deshalb meiden wir die verkehrsreichen Städte, um nicht zu Handlungen gereizt zu S. 323werden, für welche der Grund weniger in unserer Natur als in unserem Willen hegt.
