7.
Die Kerzen zünden wir nicht am hellen Tage an, wie du fälschlich annimmst. Vielmehr wollen wir die Finsternis der Nacht durch dieses Trostmittel verscheuchen. Wir wachen bei dem Lichte, damit wir nicht als Blinde mit dir in der Finsternis schlafen. Wenn aber einige Weltleute oder fromme Frauen, von denen wir in Wahrheit sagen können: „Ich gebe zu, daß sie Eifer für Gott haben; es mangelt ihnen aber an Einsicht“1 , aus Unwissenheit oder Einfältigkeit den Märtyrern zu Ehren anders handeln, was hast du dabei zu verlieren? Auch die Apostel ließen sich darüber aus, daß die Salbe verloren gehe. Aber des Herrn Tadel traf sie2 . Weder bedurfte Christus der Salbe, noch bedürfen die Märtyrer des Kerzenlichtes. Trotzdem hat jene Frau gehandelt Christo zu Ehren, und ihre fromme Gesinnung wurde angenommen. Alle, die Kerzen anzünden, empfangen nach ihrem Glauben Lohn; denn der Apostel sagt: „Ein jeder handle nach seiner Überzeugung rechtschaffen“3 . Nennst du solche Leute Götzendiener? Ich leugne nicht, daß wir alle, die wir an Christus glauben, von dem Irrtum des Götzendienstes stammen. Denn wir werden nicht als Christen geboren, sondern wiedergeboren. Weil wir ehedem Götzenbilder verehrten, sollen wir jetzt Gott nicht verehren, nur um nicht in den Schein zu kommen, als verehrten wir ihn auf gleiche Weise wie die Götzen? Die eine Art der Verehrung bezog sich auf die Götzen, und deshalb ist sie zu verabscheuen. Die andere hat die Märtyrer zum Gegenstand, darum verdient sie Billigung. Auch zündet man — um einmal von den Reliquien der Märtyrer abzusehen — in allen Kirchen des Orients Lichter an, wenn das Evangelium gelesen werden soll, und zwar, S. 313wenn die Sonne bereits scheint. Natürlich geschieht es nicht, um die Finsternis zu vertreiben, sondern um der Freude Ausdruck zu verleihen. Deshalb halten auch jene im Evangelium erwähnten Jungfrauen ihre Lampen stets brennend bereit4 . Und an die Apostel ergeht die Mahnung: „Eure Lenden seien gegürtet und brennende Lichter in euren Händen!“5 Von Johannes dem Täufer heißt es: „Er war die brennende, lichtspendende Leuchte“6 , um unter dem Sinnbilde des stofflichen Lichtes auf jenes Licht hinzuweisen, über welches wir im Psalter lesen: „Dein Wort, o Herr, ist eine Leuchte für meine Füße und ein Licht auf meinen Wegen“7 .
