III.
S. 127 Siehst du nun, in welchem Schmutz die Schande sich wälzt, in welchem Licht die Redlichkeit leuchtet? So ist es einleuchtend, daß dem Guten niemals sein Lohn, dem Verbrecher niemals seine Strafe fehlt. Denn nicht mit Unrecht kann man das Ding, um dessentwillen jegliches vollbracht wird, als den Lohn dessen, was vollbracht wird, ansehen, wie dem Läufer in der Rennbahn der Kranz, um dessentwillen er läuft, als Belohnung winkt. Daß aber die Glückseligkeit eben jenes Gut ist, um dessentwillen alles vollbracht wird, haben wir gezeigt. Es ist also den menschlichen Handlungen das Gute selbst gleichsam als gemeinsamer Lohn zum Ziel gesetzt, und dieses läßt sich von den Guten nicht trennen; denn der wird nicht gerade mit Recht gut heißen, dem das Gute mangelt, weshalb einem redlichen Charakter auch sein Lohn nicht fehlt. Wie sehr also auch die Schlechten toben, dem Weisen wird sein Kranz nicht mangeln noch welken; denn die Bosheit zerpflückt edlen Seelen nicht ihre eigene Zier, nur eine ihnen fremde. Und wenn sich auch jemand über äußere Gaben freuen sollte, so könnte diese doch ein andrer oder auch der Geber selbst wieder fortnehmen. Aber die Redlichkeit bringt jedem das Seine, und so wird er seinen Lohn nur entbehren, wenn er aufhört redlich zu sein. Endlich weil aller Lohn nur deshalb erstrebt wird, weil er für gut gehalten wird, wer möchte den, der das Gute besitzt, des Lohnes bar erklären? Aber welches Lohnes? Unter allen des schönsten und größten. Erinnere dich jenes Corollar, das ich noch eben als besonders wichtig gegeben habe, und schließe so: Wenn das Gute selbst die Glückseligkeit ist, so folgt, daß alle Guten eben dadurch, daß sie gut sind, glückselig sind. Die aber glückselig sind, sind nach Gebühr Götter. Also ist der Lohn der Guten, den keine Zeit zerbricht, der niemandes Macht mindert, niemandes Bosheit verdunkelt, Götter zu werden.
Da dies so ist, kann auch kein Weiser an der Strafe der Bösen zweifeln. Denn da gut und böse wie Strafe und Lohn einander entgegengesetzt sind, muß notwendiger Weise der Belohnung des Guten auf der Gegenseite die Bestrafung des Bösen entsprechen. Wie also den Guten die Güte selbst zur Belohnung wird, so ist den Bösen die Nichtsnutzigkeit selbst Strafe. Jeder der Strafe leidet, zweifelt nicht, daß er ein Übel leide. Könnten also jene, wenn sie sich selber einschätzten, sich frei von Strafe erscheinen, sie, denen die äußerste Schlechtigkeit alles Bösen nicht nur anhaftet, sondern die sie tief durchtränkt? Beachte nun von der Gegenseite des Guten aus die Strafe, die den Bösen begleitet. Daß alles Sein eines sei, und das eine selbst das Gute, hast du noch eben gelernt. Die Folge hiervon ist, daß alles was ist, offenbar auch gut ist. Auf diese Weise hört das auf zu sein, das vom Guten abfällt, und daher rührt es, daß die Schlechten aufhören zu sein, was sie gewesen waren; daß sie aber Menschen gewesen sind, zeigt noch der übrig bleibende Schein eines menschlichen Körpers, obwohl sie zur Bosheit verwandelt, S. 129 auch die menschliche Natur verloren haben. Aber da über den Menschen hinaus den Menschen nur die Redlichkeit tragen kann, so stößt notwendig die Unredlichkeit diejenigen, welche sie von dem Menschenstand gestürzt hat, unter Menschenwürdigkeit hinab. So geschieht es, daß du den nicht für einen Menschen achten kannst, den du von Lastern verwandelt siehst. Von Habgier brennt der gewalttätige Räuber fremden Gutes? Du wirst ihn dem Wolfe ähnlich nennen. Bissig und ruhelos übt der seine Zunge im Zank? Vergleiche ihn dem Hunde. Der Verräter freut sich, heimlich durch Betrug zu rauben? Dem Fuchse sei er gleichgestellt. Der knirscht im Zorne unbeherrscht? Man glaubt, daß eines Löwen Seele ihm innewohnt. Angstvoll und feige zittert der vor dem, was nicht der Furcht wert ist? Man halte ihn dem Hirsche ähnlich. Träge und stumpf brütet der? Er lebt eines Esels Dasein. Leichtfertig und unbeständig ändert der seine Neigungen? In nichts unterscheidet er sich von den Vögeln. In schändlicher, unreiner Begierde versenkt sich jener? Von den Lüsten der schmutzigen Sau wird er gefesselt. So kommt es, daß wer die Tugend verläßt, aufhört Mensch zu sein; da er nicht zum Götterstande überzugehen vermag, verwandelt er sich zum Tier.
III. Irrend trieb auf der Meeresflut
Schiff und Segel des Ithakers
Einst der Westwind zur Insel hin,
Wo die Tochter des Sonnengotts,
Jene liebliche Göttin haust,
Die mit listigem Zauberspruch
Ihren Gästen den Becher mischt,
Und mit kräutergewaltiger Hand
Mannigfalt'ge Gestalten leiht:
Diesen decket des Ebers Haut,
Jenem wachsen als Berberleu
Spitze Krallen und scharfer Zahn.
Jüngst gereiht zu der Wölfe Schar
Heult der, wie er zu weinen sucht.
Der dem indischen Tiger gleich,
Schleicht um friedsamer Menschen Haus.
Mag von mancherlei Übeln auch
Der arkadische Flügelgott
Voll Erbarmen den Führer selbst
Dem Verderben entziehn, schon hat
Der Gefährten unselige Schar
Giftgemischten Pokal geschlürft
S. 131 Und als borstige Schweine nährt
Eichelmast sie im Futtertrog.
Nichts verblieb ihnen unversehrt,
Stimme, Leibesgestalt entschwand,
Unverändert allein der Geist
Leidet, seufzt ob der Ungestalt.
Ach, zu leicht war der Göttin Hand,
Unvermögend das Zauberkraut;
Nur die Götter verwandelt sie,
An den Herzen erlahmt die Macht.
Drinnen bleibet die Menschenkraft
In verborgener Burg verwahrt.
Aber mächtiger wirkt das Gift,
Schrecklich, wenn es nach innen dringt,
Wenn den Menschen sich selbst es raubt,
Unversehrt zwar der Leib beharrt.
Doch die Seele voll Wunden rast.
