Dritter Artikel. Der Sohn Gottes nahm eine Seele an.
a) Dem steht entgegen: I. Joh. 1, 14.: „Das Wort ist Fleisch geworden,“ macht keine Erwähnung der Seele. Also hat der Herr nur einen Körper angenommen. II. Die Seele ist dem Körper notwendig, damit er durch dieselbe belebt werde. Diese Notwendigkeit aber bestand beim Herrn nicht, von dem es heißt (Ps. 35.): „Herr; bei Dir ist der Quell des Lebens.“ Da war die Seele also überflüssig. III. Aus der Verbindung von Leib und Seele rührt die allgemeine Natur her, die da ist die menschliche Gattung. „Christus hat aber keine allgemeine Natur angenommen“ (3. de orth. fide 3.). Also hatte Er keine Seele. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de agone Christ. 21.): „Wir aber wollen nicht auf jene hören, welche sagen, nur einen Leib hätte Christus angenommen und die da so auffassen die Stelle: Und das Wort ist Fleisch geworden, daß sie leugnen, Christus habe etwas Anderes noch vom Menschen gehabt wie das Fleisch allein.“
b) Ich antworte, wie Augustin (de haeres. 69 et 55.) sagt, sei dies zuerst die Meinung des Arius und nachher des Apollinares gewesen, daß der Herr den menschlichen Leib ohne Seele angenommen habe und daß an die Stelle der Seele das Wort Gottes getreten sei. Daraus folgte, in Christo sei nur eine Natur gewesen, da aus Leib und Seele die eine menschliche Natur hergestellt wird. Diese Meinung aber ist völlig grundlos: 1. Sie widerspricht den Worten der Schrift, Matth. 26.: „Traurig ist meine Seele bis zum Tode;“ und Joh. 10.: „Ich habe die Macht, meine Seele einzusetzen.“ Darauf erwiderte Apollinares, in diesen und ähnlichen Stellen stehe „Seele“, im metaphorischen, bildlichen Sinne, wie z. B. Isai 1. Gott spricht: „Euere Kalenden und Festlichkeiten hat gehaßt meine Seele.“ Jedoch hält dies nicht stand. Denn, wie Augustin (83 Qq. 80.) sagt, erzählen die Evangelisten, Jesus habe Sich gewundert, gezürnt, getrauert, gehungert; woraus hervorgehe, Er habe eine Seele gehabt, wie gleichermaßen daraus, daß Er aß, geschlafen hat, müde wurde, hervorgeht, daß Er einen wahren Leib hatte. Wird Alles dies nur bildlich gesagt, so vergeht damit der Glaube an die Wahrheit der Berichte des Evangeliums, da Ähnliches im Alten Testamente über Gott gelesen wird. Denn etwas Anderes ist es, daß die Propheten in Figuren sprechen, um sich verständlich zu machen; und etwas Anderes, daß die Evangelisten gemäß der Wahrheit des Geschehenen berichten. 2. Dieser Irrtum schadet dem Nutzen der Menschwerdung, der da ist die Befreiung des Menschen. Denn so argumentiert Augustin (cont. Felicianum 6. 13.): „Wenn der Sohn Gottes Fleisch angenommen und die Seele beiseite gelassen hat, so wußte Er entweder, daß sie unschuldig war und des Heilmittels nicht bedurfte; oder Er hielt sie für etwas Ihm Fremdes, nicht von Ihm Gemachtes und wollte sie nicht in Gnaden erlösen; oder Er erachtete sie als unheilbar und konnte sie sonach nicht heilen; oder Er glaubte, sie sei so verächtlich und niedrig, daß sie zu nichts zu gebrauchen sei und warf sie fort. Zwei von diesen Annahmen lästern Gott. Denn wie soll Gott genannt werden der Allmächtige, wenn Er die in verzweifelter Lage befindliche Seele nicht heilen konnte! Oder wie soll Er der Gott von Allem sein, wenn Er unsere Seele nicht gemacht hat! In den beiden anderen Annahmen wird bei der einen die Lage und Beschaffenheit der Seele nicht gekannt, bei der anderen ihre Würde nicht festgehalten. Oder soll man meinen, jener kenne die Lage und Beschaffenheit der Seele, der da sich bemüht, sie, die da von Natur bereits und durch erworbene Zustände das Gesetz beobachten kann, von der Sünde freiwilliger Gesetzesübertretung zu trennen? Oder wie soll jener ihre großartige Würde in etwa ermessen, der sie als etwas von Natur Verächtliches behandelt? Giebst du auf ihren Ursprung acht, so ist die Seele in ihrer Substanz bei weitem wertvoller wie das Fleisch; erwägst du ihre Schuld, so steht sie tiefer. Ich aber weiß sowohl und sage es, daß Christus, die vollendetste Weisheit ist, als auch zweifle ich nicht im mindesten daran, daß Er im höchsten Grade liebevoll und nachsichtig sei. Auf Grund seiner Weisheit verachtete Er nicht die der wahren Klugheit fähige, wertvolle Seele; auf Grund seiner Nachsicht nahm Er sie auf, nachdem sie mit vielen Wunden bedeckt worden war.“ 3. Diese Meinung ist gegen die Wahrheit der Menschwerdung selber. Denn das Fleisch und alles Übrige gewinnt den Charakter seiner Wesensgattung oder Natur durch die Seele. Hat also Christus nicht die Seele angenommen, so ist Er nicht wahrhaft Mensch geworden. Denn abgesehen von der Seele ist auch Fleisch und Bein nichts Menschliches, sondern hat bloß den Namen gemein, nach II. de an.
c) I. In jener Stelle wird „Fleisch“ gesetzt für den ganzen Menschen; wie auch Isai. 40.: „Alles Fleisch wird schauen, daß der Mund des Herrn gesprochen hat.“ Deshalb wird aber der ganze Mensch unter dem Ausdrucke „Fleisch“ inbegriffen, weil vermittelst des Fleisches der Sohn Gottes sichtbar erschienen ist, weshalb es gleich unmittelbar darauf heißt: „Und wir haben gesehen seine Herrlichkeit.“ Oder, wie Augustin meint, ist dies deshalb der Fall (83 Qq. 80.), weil „in jenem einheitlichen Annehmen an der Spitze steht das „Wort“ und das Letzte oder Tiefste ist das Fleisch. Damit also der Evangelist uns empfehle die Liebe der Demut eines Gottes hat Er das „Wort“ genannt und das Fleisch, aber ausgelassen die Seele, welche höher steht als das Fleisch und tiefer ist wie das „Wort“. Ganz angemessen war es zudem, daß Er das Fleisch nannte, weil dasselbe, als am meisten dem „Worte“ fernstehend, am wenigsten geeignet schien, angenommen zu werden. II. Das „Wort“ ist Quell des Lebens als dessen bewirkende Ursache;die Seele als die Wesensform, durch die der Körper selber Leben hat und die gewirkt ist von der wirkenden Ursache. Aus der Gegenwart des Wortes also muß vielmehr geschlossen werden, daß der Körper beseelt war; wie aus der Gegenwart des Feuers geschlossen wird, daß der Körper, dem das Feuer anhängt, warm ist. III. Damascenus leugnet, daß im Herrn aus der Verbindung der Gottheit mit der Menschheit etwas Drittes, wie eine „allgemeine“, beiden Teilen gemeinsame „Natur“, sich ergeben habe; wie z. B. aus Leib und Seele sich das Dritte, die Menschnatur, ergiebt.
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