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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 40

Erster Artikel. Es war zukömmlich, daß Christus mit den Menschen verkehrte.

a) Er hätte vielmehr ein einsames Leben führen sollen. Denn: I. Christus mußte sich auch als Gott zeigen. Gott aber kommt es
nicht zu, mit den Menschen zu verkehren; denn Dan. 2. heißt es: „Ausgenommen die Götter, deren Sache es nicht ist, mit den Menschen zu verkehren.“ Und Aristoteles sagt (1 Polit. 2.): „Wer einsam lebt, ist ein
wildes Tier,“ wenn er das thut, weil er grausam ist; „oder ein Gott,“
wenn er es thut, um die Wahrheit zu betrachten. II. Christus mußte das vollkommenste Leben auf Erden führen. Dies
aber ist das beschauliche (vgl. II., II. Kap. 182, Art. 1 u. 2.) und dazu
gehört Einsamkeit, nach Osee 2.: „Ich will sie (die Seele) in die Einsamkeit führen und sprechen zu ihrem Herzen.“ III. Das Leben Christi mußte immer sich gleichförmig sein; da nur
das Beste Ihm zukam. Bisweilen aber suchte Er die Einsamkeit auf und mied die Volksscharen; weshalb Remigius sagt (sup. Matth.): „Man liest, daß der Herr auf drei Orte sich zurückzog: das Schiff, den Berg, die Wüste; zu einem von diesen Orten nahm Er immer seine Zuflucht, wenn Er die Volksscharen mied.“ Also mußte Er immer in der Einsamkeit leben. Auf der anderen Seite sagt Baruch 3.: „Nachher ist Er auf Erden erschienen und hat mit den Menschen verkehrt.“

b) Ich antworte; Christi Leben mußte dem Zwecke der Menschwerdung entsprechen. Christus kam nun 1. „in die Welt, damit Er Zeugnis gebe
der Wahrheit“ (Joh. 18.). Also durfte Er Sich nicht verbergen, sondern
mußte in die Öffentlichkeit gehen; und deshalb sagte Er (Luk. 4.): „Auch
anderen Städten muß ich ankündigen das Reich Gottes; denn darum bin
ich gekommen.“ Er kam 2. in die Welt, „um die Menschen von der Sünde
zu befreien,“ nach 1. Tim. 15. Und deshalb, „obgleich der Herr, bleibend
an dem nämlichen Orte alle zu Sich ziehen konnte, damit sie seine Predigt
hörten, hat Er dies doch nicht gethan, damit Er uns ein Beispiel gebe,
gemäß dem wir suchen sollen den der zu Grunde geht, wie der Hirt das
verlorene Schaf sucht, wie der Arzt zum kranken geht“ (Chrysost. ad Luc. quia et alius). Er kam 3. in die Welt, damit wir Zutritt haben zum
Vater (Röm. 5.). Und deshalb ist Er vertraulich mit uns umgegangen,
um Vertrauen uns einzuflößen. Darum sagt Hieronymus zu Matth. 9,10.:
„Die Sünder sahen, wie der Zöllner von seinen Sünden zu einem besserenLeben belehrt war und den Ort der Reue gefunden hatte; deshalb verzweifelten auch sie nicht an ihrem Heile.“

c) I. Vermittelst seiner Menschheit wollte Christus seine Gottheit offenbaren; und Er that dies, indem Er predigte, Wunder wirkte, unter den Menschen fromm und tugendhaft lebte. II. Jenes thätige Leben, wonach jemand das, was er betrachtet hat,
den anderen lehrt, ist vollkommener, wie das betrachtende beschauliche Leben
allein; denn es setzt voraus die überfließende Fülle der Betrachtung (vgl.
II., II. I. c.). III. Was Christus that, ist Belehrung für uns. Damit Er also den
Predigern das Beispiel gebe, daß sie nicht immer in der Öffentlichkeit verkehren sollen, zog Er sich manchmal in die Einsamkeit zurück; und zwar
im besonderen: 1. um körperlich auszuruhen, nach Mark. 6., wo Er zu
den Jüngern sagt: „Kommt mit an einen einsamen Ort und ruhet ein wenig
aus;“ denn viele kamen und gingen, und sie hatten nicht einmal Zeit zum
Essen; — 2. um zu beten, nach Luk. 6.: „Es geschah in jenen Tagen,
und Er ging auf den Berg, damit Er bete und Er brachte die Nacht damit
zu;“ wozu Ambrosius sagt: „Zu den Geboten der Tugend erzieht Er uns
durch sein Beispiel;“ — 3. um die Ehrenbezeigungen der Menschen zu
vermeiden, so daß zu Matth. 5. (videns Jesus) Chrysostomus (hom. 15.
in Matth.) sagt: „Dadurch daß Er nicht in die Stadt geht oder auf den
Markt, um zu beten, erzieht Er uns, wir sollen nichts um der Ehre vor
den Menschen willen thun, vom Gewirre der Menschen fernbleiben und am
liebsten mit den näheren Freunden sprechen.“

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